Eichberg, Henning, Historiker,1942–2017

Eich­berg, am 1. Dezem­ber 1942 in Schwei­d­nitz geboren, wuchs nach der Flucht aus Schle­sien in der DDR auf, bevor seine Fam­i­lie nach Ham­burg über­siedelte. Poli­tisch gehörte er ursprünglich zum Lager der Nation­al­neu­tral­is­ten und geri­et Anfang der sechziger Jahre an – wie er selb­st sagte – parteipoli­tisch »unge­bun­dene Zirkel der Recht­en« um die Zeitschrift Nation Europa und einen Diskus­sion­skreis, der sich in Nach­folge des ver­bote­nen »Bun­des nationaler Stu­den­ten« (BNS) gebildet hat­te. Aus diesem Zirkel ging dann die Ini­tia­tive zur Grün­dung der Zeitschrift Junges Forum her­vor, des wichtig­sten Organs der nation­al­rev­o­lu­tionären »Neuen Recht­en«. Diese Pub­lika­tion­s­möglichkeit nutzte Eich­berg in der unruhi­gen Zeit, um seine poli­tis­chen Ideen zu entwick­eln. Seine Mit­glied­schaft in der CDU zwis­chen 1964 und 1968 war dage­gen nur Aus­gangspunkt ein­er Unter­wan­derungsstrate­gie, die allerd­ings so erfol­g­los war wie alle anderen
Ver­suche Eich­bergs, prak­tisch tätig zu wer­den.

Seine Führungspo­si­tion inner­halb der Neuen Recht­en hat­te auch nichts zu tun mit organ­isatorischem Tal­ent oder Ein­satzbere­itschaft, son­dern mit einem gewis­sen Charis­ma und ein­er auf der Recht­en unge­wohn­ten intellek­tuellen Angriff­s­lust. Sein erk­lärtes Ziel war es, die Ide­olo­giefeind­schaft und Rück­wärts­ge­wandtheit der deutschen Recht­en hin­ter sich zu lassen. Er set­zte deshalb auf Ter­mi­nolo­gie und Konzepte, die son­st bevorzugt von der Linken ver­wen­det wur­den, zitierte in der Auseinan­der­set­zung Lenin oder Mao und über­nahm bes­timmte Argu­mente der APO – »Demokratisierung«, Kri­tik des »Estab­lish­ments« – nicht aus tak­tis­chen Grün­den, son­dern weil sie ihm zeit­gemäß erschienen. Was Eich­berg in den unruhi­gen Jahren 1967/68 anstrebte, war eine »Alter­na­tiv­partei«, wed­er bürg­er­lich noch marx­is­tisch, die die Dynamik der jugendlichen Revolte in sich aufnehmen und sin­nvoll umlenken sollte. Er selb­st wollte nicht Kopf, son­dern The­o­retik­er ein­er solchen Bewe­gung sein.

Deut­lich­er als in den Veröf­fentlichun­gen, die damals unter seinem Namen erschienen, wird dieses Ziel an jenen Tex­ten, die Eich­berg als »Hartwig Singer« schrieb. Seit dem Früh­jahr 1967 hat­te er unter entsprechen­dem Pseu­do­nym eine Rei­he von Auf­sätzen veröf­fentlicht, die die Möglichkeit­en eines »pro­gres­siv­en Nation­al­is­mus« aus­loteten. Eich­berg inter­essierte sich zwar auch für ver­schiedene neokon­ser­v­a­tive Bewe­gun­gen, aber sein Haup­tau­gen­merk galt den »europäis­chen Nation­al­is­ten« und dem Ver­such, eine geschlossene rechte Ide­olo­gie zu schaf­fen. Die sollte auf ein­er »neuen Ratio­nal­ität« beruhen, die sich später an der Erken­nt­nis­the­o­rie des »Wiener Kreis­es « ori­en­tierte, und Ergeb­nisse der Sozial- wie Natur­wis­senschaften nutzen, um mit dem unbrauch­bar gewor­de­nen Tra­di­tions­be­stand – unter Ein­schluß des Chris­ten­tums – aufzuräu­men.

Eich­berg betonte immer das »Futur­is­tis­che« seines Entwurfs, den er als Ergeb­nis der Entwick­lung eines spez­i­fis­chen »okzi­den­tal­en Syn­droms« betra­chtete. »Nation­al­is­mus « war insofern wed­er Nos­tal­gie noch »Blut und Boden«, son­dern eine rev­o­lu­tionäre Kraft, die erst in der Indus­triege­sellschaft voll­ständig zur Durch­set­zung kam und »nationale Iden­tität« zum Bezugspunkt ein­er neuen Ord­nung machte.

Vieles von dem, was er vortrug, war inspiri­ert durch das franzö­sis­che Vor­bild ein­er neuen recht­en Intel­li­genz, da der »betonte Irra­tional­is­mus des deutschen Nation­al­is­mus« sein­er Mei­n­ung nach hin­derte, eine adäquate Weltan­schau­ung zu begrün­den. Der Ein­fluß von Eich­bergs Ideen – ins­beson­dere des »Ethno­plu­ral­is­mus« – auf eine ganze Gen­er­a­tion der jun­gen recht­en Intel­li­genz war erhe­blich, wen­ngle­ich seine Sprung­haftigkeit und fehlende Bere­itschaft zur Ausar­beitung sein­er Weltan­schau­ung let­ztlich immer mit der Ent­täuschung sein­er Anhänger endete.

Eich­bergs Ver­suche, die franzö­sis­chen Ansätze auf Deutsch­land zu über­tra­gen, scheit­erten in den siebziger Jahren genau­so wie seine Bemühun­gen, eine akademis­che Lauf­bahn einzuschla­gen. Daraus zog er zwei Kon­se­quen­zen: die Umdeu­tung des nation­al­rev­o­lu­tionären zu einem linken Ansatz und die Über­sied­lung nach Däne­mark, wo er als Sport­sozi­ologe an ver­schiede­nen Uni­ver­sitäten arbeit­ete. Obwohl das von der Antifa immer wieder in Abrede gestellt wird, hat sich Eich­berg mit sein­er »volk­lichen«, an den skan­di­navis­chen Basis­na­tion­al­is­mus anknüpfend­en Weltan­schau­ung wie sein­er the­o­retis­chen Konzep­tion, ins­beson­dere dem Mate­ri­al­is­mus sein­er »Körper«-Auffassung, ein­deutig auf die Seite der Linken geschla­gen.

Eich­berg starb am 22. April 2017 in Odense.

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Zitat:

Die Möglichkeit­en, Men­sch zu sein, sind vielfältig. Die Vielfalt in ihrer Dif­feren­zierung zwis­chen den Völk­ern schw­er­wiegen­der als bei ober­fläch­lich­er Betra­ch­tung oft angenom­men. Das ist die Grun­dein­sicht des Ethno­plu­ral­is­mus.

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Schriften:

  • Singer: Nation­al­is­mus ist Fortschritt, in: Junges Forum 3 (1967), Heft 1
  • Singer: Mai ‘€™68. Die franzö­sis­chen Nation­al­is­ten und die Revolte gegen die Kon­sumge­sellschaft, in: Junges Forum 5 (1969), Heft 1
  • Der Weg des Sports in die indus­trielle Zivil­i­sa­tion, Baden-Baden 1973
  • Mil­itär und Tech­nik, Düs­sel­dorf 1976
  • Nationale Iden­tität. Ent­frem­dung und nationale Frage in der Indus­triege­sellschaft, München 1978
  • Min­der­heit und Mehrheit, Braun­schweig 1978
  • Abkop­pelung. Nach­denken über die neue deutsche Frage, Koblenz 1987
  • Volk, folk und Feind. Gren­züber­schre­itun­gen – und eine umstrit­tene poli­tis­che Biogra­phie, in: wir selb­st (1998), Heft 1

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Lit­er­atur:

  • Frank Teich­mann: Hen­ning Eich­berg – Nation­al­rev­o­lu­tionäre Per­spek­tiv­en in der Sportwissenschaft. Wie poli­tisch ist die Sportwissenschaft?, Frank­furt a. M. 1991