Homogenität bezeichnet die durch substantielle Gleichheit bestimmten Teile eines Ganzen und hat für menschliche Sozialbildungen immer eine große Rolle gespielt. Homogenität wird in erster Linie dadurch erreicht, daß das Andere als anders erkannt und diszipliniert oder ausgeschlossen wird.
Der Maßstab für das Anders-Sein kann variieren, eher strenger oder eher sanfter Natur sein. Grundsätzlich gilt aber, daß man den, der wegen körperlicher oder seelischer Abweichung der Normalität widerspricht, absondert oder eliminiert. Ein Rest der ursprünglichen Grausamkeit solcher Verfahren hat sich im kindlichen “Hänseln” und den Initiationsprüfungen jugendlicher oder krimineller Banden erhalten. Als milde Variante erscheinen die Ausgrenzungsmechanismen, mit denen die “Anständigen” in modernen Gesellschaften “politisch inkorrekte” Meinungen ahnden, wenngleich die sozialen Konsequenzen zum Teil erhebliche sind.
Ohne Zweifel spielt Homogenität deshalb eine so große Rolle für das Regulierungsbedürfnis menschlicher Gruppen, weil diese Eigenschaft Kollektivvorteile verschafft. Der Ethologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt spricht davon, daß “normangleichende Aggression” das Ziel der “Gleichschaltung” verfolgt und gewährleistet, daß das Verhalten jedes einzelnen für die anderen Mitglieder des Verbandes “voraussagbar” bleibt. Allerdings kann dieser Grundsatz nicht schematisch angewendet werden, da sich in der Entwicklung der Menschheit immer wieder gezeigt hat, daß Abweichler besonders wertvolle Fähigkeiten besaßen, die letztlich auch dem größeren Ganzen zugute kamen.
In differenzierten Gesellschaften wird diesem Sachverhalt Rechnung getragen, wenngleich auch sie nicht ohne ein erhebliches Maß an Homogenität existieren können. In der Vergangenheit hat man diese etwa durch Abschluß von einzelnen Schichten oder Berufsgruppen qua Homogamie gewährleistet. Wenn es für den modernen Staat nicht möglich ist, diesem Weg zu folgen, so muß doch gerade er die Homogenität seiner Gesamtbürgerschaft im politischen Sinn aufrechterhalten.
Auf diesen Sachverhalt hat zuerst Carl Schmitt hingewiesen und gezeigt, daß vor allem die Demokratie die Homogenität des Staatsvolkes voraussetzt, weshalb die Demokratie im allgemeinen nur unter nationalstaatlichen Bedingungen entstehen und bestehen kann. Durch die Argumentation Schmitts wurde ins Bewußtsein gehoben, daß sich die Entwicklung des nationalen Gedankens allein in Europa vollziehen konnte, bedingt durch die dem Christentum entnommene Vorstellung einer umfassenden Brüderlichkeit, die eine Homogenität voraussetzt, die theoretisch die ganze Menschheit umfaßt, faktisch aber auf die politisch ausschlaggebende Gruppe beschränkt wird.
Der elementare Zusammenhang von Demokratie und Nation beruht auf der Annahme, daß der demos eine identifizierbare Größe ist — die Nation -, deren Willensäußerung ihre Einheit voraussetzt, die am ehesten durch ihre Homogenität verbürgt erscheint. Die Tatsache, daß die europäischen Nationen nicht als nur fiktive Abstammungsgemeinschaften zu betrachten sind, sondern tatsächlich auf gemeinsamer ethnischer Herkunft (Volk) beruhen und über sehr lange Zeiträume Heiratsgemeinschaften bildeten, hat diesem Aspekt und dem daraus resultierenden Zusammengehörigkeitsgefühl außerordentliche Stabilität verliehen.
Umgekehrt führte die Masseneinwanderung zu einem Verlust an Homogenität, der nicht ein Mehr an individueller Freiheit zur Konsequenz hatte — wie von den Befürwortern des “Multikulturalismus” behauptet -, sondern einen Substanzabbau, der die Existenz der europäischen Nationen ebenso wie die der Demokratie in Frage stellt.
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Zitate:
Ein bestimmtes Maß sozialer Homogenität muß gegeben sein, damit politische Einheitsbildung überhaupt möglich sein soll. Solange an die Existenz solcher Homogenität geglaubt und angenommen wird, es gäbe eine Möglichkeit, durch Diskussion mit dem Gegner zur politischen Einigung zu gelangen, solange kann auf die Unterdrückung durch physische Gewalt verzichtet, solange kann mit dem Gegner parliert werden.Hermann HellerDemokratie setzt im Ganzen und in jeder Einzelheit ihrer politischen Existenz ein in sich gleichartiges Volk voraus, das den Willen zur politischen Existenz hat. Unter dieser Voraussetzung ist es durchaus richtig, wenn Rousseau sagt, daß, was das Volk will, immer gut ist. Ein solcher Satz ist richtig, nicht aus einer Norm heraus, sondern aus dem homogenen Sein eines Volkes.Carl Schmitt
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Literatur:
- Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens [1984], zuletzt Vierkirchen-Pasenbach 2004
- Ernest Gellner: Pflug, Schwert und Buch, Stuttgart 1990
- Hermann Heller: Politische Demokratie und soziale Homogenität [1928], zuletzt in: Ulrich Matz (Hrsg.): Grundprobleme der Demokratie, Wege der Forschung, Bd CXLI, Darmstadt 1973, S. 7–19
- Carl Schmitt: Verfassungslehre [1928], zuletzt Berlin 2003