Tolkien, J. R. R. — Schriftsteller, 1892–1973

Der Herr der Ringe gehört zu den zehn meistverkauften Büch­ern aller Zeit­en. Der Autor, J. R. R. Tolkien, schrieb weit über ein Jahrzehnt daran und arbeit­ete sein ganzes Leben lang an sein­er fik­tiv­en Geschichte Mit­tel­erdes, in der Der Herr der Ringe ange­siedelt ist.

Tolkien wurde am 3. Jan­u­ar 1892 in Südafri­ka als Sohn eines britis­chen Bankanstell­ten geboren und wuchs seit seinem vierten Leben­s­jahr in Eng­land auf. Mit zwölf Jahren hat­te er Vater und Mut­ter ver­loren; die Vor­mund­schaft über­nahm der katholis­che Gemein­dep­far­rer Fran­cis Mor­gan, der Tolkien sehr prägte und der ihn im römisch-katholis­chen Glauben erzog. Tolkien studierte ab 1911 klas­sis­che Philolo­gie und anschließend englis­che Sprache und Lit­er­atur. Seit 1921 Dozent in Leeds, wurde Tolkien 1925 Pro­fes­sor für Angel­säch­sis­che Philolo­gie in Oxford.

Das verbindende Ele­ment zwis­chen wis­senschaftlich­er und schrift­stel­lerisch­er Tätigkeit war bei Tolkien die von Jugend auf gehegte Liebe zu den nordis­chen Sprachen, nach deren Vor­bild er sog­ar eigene Sprachen erfand, sowie zur nordis­chen Mytholo­gie. Angeregt vom Beowulf, einem angel­säch­sis­chen Heldenepos aus dem 8. Jahrhun­dert, ver­fol­gte Tolkien den Plan, eine Mytholo­gie Bri­tan­niens zu schaf­fen. Doch erst als er in den 1920er Jahren C. S. Lewis ken­nen­lernte und mit ihm zusam­men einen informellen Lesezirkel, die Inklings, grün­dete, fühlte Tolkien sich ermutigt, in seinem schrift­stel­lerischen Schaf­fen mehr zu sehen als bloßes Pri­vatvergnü­gen. Beson­ders das pos­tum erschienene Sil­mar­il­lion (1977) entwirft eine Art imag­inäres nordis­ches Zeital­ter in Europa, vor dessen Hin­ter­grund die Pro­tag­o­nis­ten des Kleinen Hob­bit (1937) und des Her­rn der Ringe (1964–55) agieren.

Die Ver­wen­dung von Zwer­gen, Elben, Orks und Hob­bits (ein­er von Tolkien neugeschaf­fe­nen „Gat­tung“) hat dazu geführt, Tolkiens Büch­er der Fan­ta­sy zuzuschreiben und ihm den Vor­wurf des Eskapis­mus zu machen. Dage­gen wehrte er sich bere­its 1940 in einem akademis­chen Vor­trag über Fairy-Sto­ries, in dem er die Auf­fas­sung ver­trat, Fan­ta­sy-Geschicht­en hät­ten eine mythis­che Qual­ität. Statt eskapis­tisch zu sein, wür­den sie ger­ade dazu helfen, aus ein­er verz­er­rten Wirk­lichkeitswahrnehmung zu befreien und den Sinn für eine ästhetis­che wie moralis­che Welt­be­tra­ch­tung zu schär­fen. Ihre Erzählstruk­tur mit der plöt­zlichen Wende zum Guten, der Eukatas­tro­phe, habe sie von der größten Geschichte aller Zeit­en, dem Evan­geli­um — dem fähi­gen Mythen­dichter gelinge eine Art „Zweitschöp­fung“.

Ohne sich je promi­nent im Hin­blick auf poli­tis­che Fra­gen geäußert zu haben, gehört J. R. R. Tolkien doch mit seinem wis­senschaftlichen, noch mehr aber mit seinem imag­i­na­tiv­en Werk zu den kon­ser­v­a­tiv­en Vor­denkern des 20. Jahrhun­derts. Zusam­men mit seinem Fre­und C. S. Lewis ver­suchte Tolkien über die Verir­run­gen der Mod­erne aufzuk­lären und an jene geistige Tra­di­tion des „Alten West­ens“ anzuknüpfen, die seit der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion abzubrechen dro­hte. Daß die 68er-Bewe­gung den Her­rn der Ringe für das eigene Lebens­ge­fühl reklamierte, war ein groteskes Mißver­ständ­nis, das sich lediglich aus Tolkiens Stel­lung­nahme für den Naturschutz erk­lärt. In Wirk­lichkeit sind die Büch­er J. R. R. Tolkiens ein meis­ter­hafter Aus­druck sein­er ganz kon­ser­v­a­tiv­en „The­olo­gie des Geschicht­en­erzäh­lens“ (Col­in Duriez) und ein ern­stzunehmender Ver­such, unter den Bedin­gun­gen der Mod­erne den­noch an der „Wahrheit des Mythos“ (Kurt Hüb­n­er) festzuhal­ten.

Tolkien ver­starb am 2. Sep­tem­ber 1973 in Bournemouth.

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Zitat:

In solchen Geschicht­en, wenn die plöt­zliche Wende ein­tritt, erleben wir ein Auf­blitzen von Freude und Sehn­sucht, die für einen Moment aus dem Rah­men her­aus­tritt, ja das Netz der Geschichte aufreißt und ein Funkeln hin­durch­läßt.

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Schriften:

  • Beowulf, the Mon­sters and the Crit­ics [1936], Lon­don 1937
  • Der kleine Hob­bit [1937], Reck­ling­hausen 1957
  • On Fairy-Sto­ries, Oxford 1947 (in: Essays pre­sent­ed to Charles Williams)
  • Der Herr der Ringe [1954–55], Stuttgart 1969–70
  • Das Sil­mar­il­lion [1977], Stuttgart 1978
  • Die Leg­ende von Sig­urd und Gudrún [2009], Stuttgart 2010

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Lit­er­atur:

  • Col­in Duriez: Tolkien und C. S. Lewis. Das Geschenk der Fre­und­schaft, Moers 2005
  • Hel­mut W. Pesch (Hrsg.): J. R. R. Tolkien, der Mythen­schöpfer, Meitin­gen 1984