Bei Josef Isensee handelt es sich um einen der wohl profiliertesten konservativen Juristen der Bundesrepublik Deutschland. »Analytischer Verstand, hohe rhetorische Begabung, ein dezidierter Konservatismus und gelebter Katholizismus bestimmten sein Bild.« (Michael Stolleis) Der Landwirtssohnaus katholischer niedersächsischer Familie, geboren am 10. Juni 1937 in Hildesheim, studierte nach dem Besuch des Bischöflichen Gymnasiums Josephinum Hildesheim in Freiburg, Wien und München Rechtswissenschaften sowie Philosophie und gehört seit dieser Zeit auch zwei katholischen Studentenverbindungen an. Er bestand die juristischen Staatsprüfungen in München, wo er auch das Referendariat absolviert hatte. Seit 1962 war Isensee an der Universität Erlangen Assistent des in München bei Hans Spanner habilitierten Staatsrechtslehrers Walter Leisner, bei dem er 1967 mit einer Arbeit über »Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht« promoviert wurde. Für eine Arbeit über das Widerstandsrecht wurde er 1970 ebenfalls in Erlangen für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht sowie Steuerrecht habilitiert.
1971 wurde Isensee als Nachfolger von Hans F. Zacher nach Saarbrücken auf den dritten Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität des Saarlandes berufen. 1975 folgte der Ruf auf einen neu geschaffenen Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Bonn, an der Isensee über seine Emeritierung 2002 hinaus lehrt. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und in der »Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft« engagiert.
Das bekannteste Werk Isensees ist das gemeinsam mit dem Heidelberger Öffentlichrechtler Paul Kirchhof herausgegebene Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Die von 1987 bis 1993 erschienene erste Auflage in sieben Bänden wurde bis 1997 um zwei Ergänzungsbände zur Wiedervereinigung ergänzt. Ab 1995 erschien eine zweite Auflage einzelner Bände, seit 2003 erscheint eine völlig neu bearbeitete dritte Auflage in 9 Bänden.
Ist das Handbuch des Staatsrechts ein echtes Standardwerk, bezog Isensee auch zu umstrittenen Rechtsfragen immer wieder pointierte wissenschaftliche Positionen, etwa zur (ausdrücklich bejahten) starken Stellung der Kirchen in der Verfassungsordnung. Auf der Staatsrechtslehrertagung 1973 in Mannheim war er (neben Karl Doehring) Berichterstatter zur staatsrechtlichen Stellung der Ausländer in Deutschland. Isensee gehört zu den juristischen Kritikern etwa des Ausländerwahlrechts oder der doppelten Staatsbürgerschaft oder einer Fristenlösung im Recht des Schwangerschafstabbruchs. Er ist häufig Prozeßbevollmächtigter vor dem Bundesverfassungsgericht, unter anderem auch gegen die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts in Schleswig-Holstein 1990. Ein Vortrag vor der Juristischen Gesellschaft Berlin 1983 über »Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates « wurde richtungsweisend für den normativen Schutz des ungeborenen Lebens. Anläßlich der Sondertagung der Staatsrechtslehrervereinigung 1990 in Berlin hielt Isensee ein vielbeachtetes Referat über »Deutschlands aktuelle Verfassungslage«, in dem er die DDR als eine »Sezession« des Deutschen Reichs bezeichnete. Zu rechtspolitischen und staatsrechtlichen Entscheidungen bezog Isensee immer wieder pointiert und sprachgewaltig Stellung. Über seine Schüler, darunter der Kölner Staatsrechtler Otto Depenheuer, ist er umfassend vernetzt, auch im europäischen Ausland, etwa Polen. Isensee war als Bonner Professor die treibende Kraft hinter der Versöhnung zwischen Carl Schmitt und dessen Schüler Ernst Friesenhahn, die in Friesenhahns Einladung zu Schmitts Geburtstag 1978 sichtbaren Ausdruck fand. Isensee gehörte auch zu den Teilnehmern des ersten, von Helmut Quaritsch veranstalteten Carl-Schmitt-Symposions 1986 in Speyer. Mit Armin Mohler arbeitete er in der Münchner Carl Friedrich von Siemens-Stiftung eng zusammen.
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Zitat:
Die Implosion der sozialistischen Herrschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa legt den Grund frei, auf dem Staat und Verfassung bauen. Im Zeitalter der internationalen Verflechtungen ist es noch immer die Nation.
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Schriften:
- Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ von Staat und Gesellschaft, Berlin 1968
- Das legalisierte Widerstandsrecht. Eine staatsrechtliche Analyse des Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz, Bad Homburg 1969
- Die typisierende Verwaltung. Gesetzesvollzug im Massenverfahren am Beispiel der typisierenden Betrachtungsweise des Steuerrechts, Berlin 1976
- Verfassung ohne Ernstfall: Der Rechtsstaat, in: Anton Peisl/Armin Mohler (Hrsg.): Der Ernstfall, Frankfurt a. M. 1979
- Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, Berlin/New York 1983
- Recht als Grenze – Grenze des Rechts. Texte 1979–2009, Bonn 2009
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Literatur:
- Otto Depenheuer/Fritz Ossenbühl (Hrsg.): Die Einheit des Staates. Symposion aus Anlaß der Vollendung des 60. Lebensjahres von Josef Isensee, Heidelberg 1989
- Ulrich E. Zellenberg: Staatstheorie im Widerspruch zum Zeitgeist. Zur Apologie des demokratischen Verfassungsstaats bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Josef Isensee, Herbert Krügerund Helmut Quaritsch, in: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Die kupierte Alternative. Konservatismus in Deutschland nach 1945, Berlin 2005
- Otto Depenheuer (Hrsg.): Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007