Tar a ri — Georg Quabbe, 1927

Der merk­würdi­ge Titel Tar a ri bezieht sich auf eine ungewöhn­liche Ableitung des englis­chen Begriffs »tory«, der ursprünglich für die Königs‑, dann für die Kon­ser­v­a­tive Partei stand. Der Name erk­läre sich, so Quabbe, aus dem irischen Schlachtruf der Stu­art-Kava­liere im englis­che Bürg­erkrieg des 17. Jahrhun­derts und habe »Komm, o König!« bedeutet.

Diese Bezug­nahme auf Eng­land ist kein Zufall, son­dern deutet die Aus­rich­tung der ganzen Argu­men­ta­tion an. Quabbe ging es darum, den Kon­ser­vatismus weniger als Ide­olo­gie, eher als organ­is­che Weltan­schau­ung aufz­u­fassen, eine tief im men­schlichen Wesen ver­ankerte Sichtweise, bes­timmt durch anthro­pol­o­gis­che Skep­sis, Erfahrung und Über­liefer­ung, Ablehnung aller kon­stru­ieren­den Ein­griffe und Ver­trauen in die gemis­chte Ver­fas­sung mit ihren »Frei­heit­en«. Das erk­lärt den Vor­be­halt gegen Denker wie Donoso Cortés ein­er­seits und die Sym­pa­thie für Edmund Burke ander­er­seits.

Donoso Cortés markiert für Quabbe eine Gren­z­po­si­tion des Kon­ser­v­a­tiv­en, Burke gehört dage­gen zu seinen wichti­gen Gewährsleuten, obwohl er weiß, daß man die Vorstel­lun­gen eines Mannes, für den die alteu­ropäis­che Ord­nung noch Real­ität war, nicht ein­fach auf die Gegen­wart über­tra­gen kann.

Wenn Quabbe trotz der kon­ser­v­a­tiv­en Posi­tionsver­luste im 19. Jahrhun­dert einen vor­sichti­gen Opti­mis­mus pflegt, dann wegen seines Ver­trauens in die »Pen­delge­set­ze der Welt­geschichte«. Er hofft, daß nach ein­er lan­gen Phase, in der Emanzi­pa­tion und Egal­ität, Ver­nun­ft­glaube und Utopie den Auss­chlag gegeben haben, eine Rück­kehr zu Bindung und Gliederung, Reli­gion und über­liefer­t­er Ord­nung möglich werde. Der Kon­ser­v­a­tive weiß, daß ver­gan­gene Zustände ver­gan­gen sind und nicht wiederkehren. Er leugnet die Geschichtlichkeit so wenig wie der fortschritts­gläu­bige Linke oder Lib­erale, aber er sieht auch die Ein­bußen, die der Gang der Zeit fordert. Deshalb kommt der Bewe­gungspartei immer nur ein rel­a­tives Recht zu, der Kon­ser­vatismus bildet die notwendi­ge »Gegen­partei«, und die Dif­ferenz zwis­chen bei­den erk­lärt Quabbe schließlich nicht mit einem poli­tis­chen, son­dern einem Men­tal­ität­sun­ter­schied.

Obwohl sich zahlre­iche promi­nente Leser anerken­nend über das Buch äußerten, kon­nte es keine größere Wirkung ent­fal­ten. Quabbe mußte sich nach 1933 auf seine Anwalt­stätigkeit beschränken und ver­s­tummte pub­lizis­tisch. Bis heute gilt die »gescheiteste lib­er­alkon­ser­v­a­tive The­o­rie« (Armin Mohler) jedoch als Geheimtip inner­halb der Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion.

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Zitat:

Für den Kon­ser­v­a­tiv­en gilt — um es kurz zu sagen — der Satz, daß die Summe alles men­schlichen Glücks auf Erden immer gle­ich bleibt, für den Fortschrit­tler der Satz, daß eine Steigerung aller werte möglich ist und in der Hand des Men­schen liegt.

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Aus­gabe:

  • Quel­len­texte zur Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion, Rei­he: Die Jungkon­ser­v­a­tiv­en, Bd. 2, Nach­druck der Aus­gabe Berlin 1927, Top­pen­st­edt: Uwe Berg 2007

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Lit­er­atur:

  • Karin Stein­mann: Leben lassen. Auf den Spuren eines unbe­que­men Anwalts, Leipzig 1999