Die entscheidende deutsche Auseinandersetzung des ausgehenden 15. Jahrhunderts war der Kampf um die Einheit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dabei hatten die Fürsten andere Vorstellungen davon, wie diese Einheit praktisch gestaltet sein sollte, als der König und Kaiser. Letztendlich ging es nicht nur um die Macht im Reich, sondern auch um die Frage, ob das Reich als politische Einheit überhaupt eine Zukunft haben sollte. Einig war man sich darin, daß dazu Reformen notwendig seien, weil mit dem aktuellen Zustand niemand seine eigenen Interessen hinreichend befriedigen konnte. Der Kaiser brauchte Geld, und die Fürsten wollten politisch mitbestimmen.
Der Habsburger Maximilian I., seit 1486 deutscher König und nach dem Tod seines Vaters, Kaiser Friedrichs III., auch Herr über die österreichischen Erblande, weckte in den Untertanen Hoffnung auf Reformen, als er den befristeten Landfrieden seines Vaters 1494 verlängerte. Da sich der König jedoch vorwiegend um außenpolitische Belange kümmerte, danach trachtete, den Einfluß seiner Familie zu mehren, und das prunkvolle Leben eines Renaissancefürsten führte, bedurfte es dazu erst eines äußeren Anstoßes. Durch seine Beteiligung am europäischen Kampf um Italien geriet Maximilian 1495 in eine finanzielle Notlage. Da er allein keine Steuern erheben durfte, mußte er die Reichsstände um Hilfe bitten und berief seinen ersten Reichstag nach Worms ein.
Die ständische Opposition sah in Worms die Stunde für Reformen gekommen. Geführt wurde sie vom Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Berthold von Henneberg. Das Ziel der Reichsreform war die Erneuerung des Reiches auf ständischer Grundlage, gewährleistet durch einen „Ewigen Landfrieden“, der das Reich als Rechtsgemeinschaft festigen sollte und den bis heute strafbaren „Landfriedensbruch“ unter Strafe stellte. In dem am 7. August verabschiedeten Landfrieden wurde die Plage gewordene fehderechtliche Selbsthilfe verboten und ein jeder zur Einhaltung des Rechtsweges verpflichtet. Paragraph eins lautete: „Niemand, egal von welcher gesellschaftlicher Stellung, darf jemand anderen bekriegen oder sonstiges Leid zufügen.“
Dieser Reichsfrieden ruhte auf einem lange ausgehandelten Kompromiß zwischen dem König und Berthold von Henneberg, der die Beteiligung der Stände an politischen Entscheidungen forderte. Die Gültigkeit einer Friedensordnung wurde von ihm als ein Verfassungsproblem betrachtet, das für die Zukunft des Reiches von entscheidender Bedeutung war. Aus der Sicht des Königs war der innere Frieden vor allem notwendig, um seine Haus- und Außenpolitik ungestört und mit dem nötigen Rückhalt betreiben zu können. Jeder Kompromiß war daher hart umkämpft, so daß sich die Verhandlungen ein halbes Jahr hinzogen und der König in dieser Zeit zu außenpolitischer Untätigkeit verdammt war.
Maximilian I. machte zwei wesentliche Zugeständnisse: Die Kammergerichtsordnung übertrug die bisherige Reichshofgerichtsbarkeit einem ständigen Kammergericht, was eine einheitliche Rechtsprechung gewährleisten sollte. Außerdem verpflichtete sich Maximilian, die Reformgesetze einzuhalten und zu verbreiten sowie jedes Jahr einen Reichstag einzuberufen. Die dazu eingeführte Einteilung des Reiches in Kreise blieb bis 1806 gültig. Dafür erlaubten die Stände dem König die Einführung einer allgemeinen Steuer (Gemeiner Pfennig) zur Hebung der Finanz- und Wehrkraft des Reiches.
Die ursprünglich geplante Errichtung eines „Reichsregiments“, einer Art ständischen Regierung, konnte nicht durchgesetzt werden. Allerdings verfolgten die Stände, insbesondere Berthold von Henneberg, den Plan dazu beharrlich weiter, so daß beim Reichstag zu Augsburg (1500) die Einrichtung eines Reichsregiments beschlossen wurde. Allerdings dachten die Fürsten „nicht daran, den Forderungen ihres eigenen Regiments nachzukommen, sie respektierten es noch weit weniger als jemals das königliche“ (Hellmut Diwald).
So blieben die Reformen ihrer Halbherzigkeit wegen unwirksam, die Partikularinteressen der Fürsten und des Königs waren stärker als der Wille zur Einheit. Da dem Reich die Mittel fehlten, konnte das Fehdewesen nicht bekämpft werden. Das Kammergericht wurde zeitweilig wegen Kompetenzstreitigkeiten und Geldmangels aufgelöst. Der Versuch, ein einiges Reich mit starker Zentralgewalt durch eine Reform wiederherzustellen, war damit für lange Zeit gescheitert. Das Reich zersplitterte, die Macht der Fürsten festigte sich. Dennoch blieben die Versuche einer Institutionalisierung des Reiches zu einer Rechtsgemeinschaft und die Verstaatlichung des Gewaltmonopols nicht folgenlos, sondern waren die Grundlage für die Staatsbildung der Neuzeit.
Literatur:
- Hellmut Diwald: Anspruch auf Mündigkeit 1400–1555, Frankfurt a.M. 1975
- Hermann Wiesflecker: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 2: Reichsreform und Kaiserpolitik, 1493–1500, München 1975
- 1495 — Kaiser, Reich, Reformen. Der Reichstag zu Worms. Ausstellung des Landeshauptarchivs Koblenz mit der Stadt Worms zum 500jährigen Jubiläum des Wormser Reichstags von 1495, Worms 1995