Der Krieg Preußens gegen Napoleon I. sollte mit einem allgemein unerwarteten Resultat enden: mit der Vernichtung der international hoch eingeschätzten preußischen Armee in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806) sowie mit der territorialen Verstümmelung des preußischen Staats im Frieden von Tilsit (9. Juli 1807). Das alles ereignete sich gerade einmal 20 Jahre nach dem Tod König Friedrichs des Großen, auf dessen Lorbeeren Preußen — nach einem der Königin Luise zugeschriebenen Wort — eingeschlafen war.
Diese Katastrophe markiert einen tiefen Einschnitt in der Geschichte Preußens und Deutschlands. Denn der Untergang der preußischen Armee im Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 besiegelte vorläufig die französische Hegemonie in der deutschen Staatenwelt, die seit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation der gemeinsamen Klammer beraubt war.
1805 besaß Preußen die große Chance, durch einen Beitritt zur Dritten Koalition (Österreich, Großbritannien, Rußland und Schweden) Frankreichs Machtstellung zu brechen. Doch König Friedrich Wilhelm III. behielt sich noch den Versuch einer bewaffneten Vermittlung vor, bei deren Scheitern Preußen am 15. Dezember 1805 in den Krieg gegen Napoleon eintreten würde. Als Napoleon in Mähren stand, wurde versäumt, Druck auf ihn auszuüben. Und im weiteren Feldzugsverlauf nach der Schlacht von Austerlitz (2. Dezember 1805) wurde die Gelegenheit nicht genutzt, mit Truppen auf dem Kriegsschauplatz aufzutreten und so doch noch den Ausschlag zugunsten der Koalition gegen Frankreich zu geben. Statt dessen war Preußen seit der Jahreswende 1805/06 in immer stärkere Abhängigkeit von Napoleon geraten und hatte sich deshalb letztlich sogar die englische Kriegserklärung eingehandelt.
Napoleon vermutete hinter der Nichtratifizierung eines französisch-russischen Vertrags Mitte 1806 das Entstehen einer gegen ihn gerichteten preußisch-russischen Allianz. Er bot daher plötzlich England das von ihm den Preußen aufgezwungene Hannover an, wodurch er mit dem Inselkönigreich den Frieden wiederherzustellen plante. Als dieser Schachzug des Franzosenkaisers bekannt wurde, empfand ihn der preußische Hof als einen ungeheuerlichen Verrat. Angetrieben von seinem verletzten persönlichen Ehrgefühl, von der immer einflußreicheren Kriegspartei der Franzosenhasser und von der wachsenden Kriegsstimmung im Land, ordnete Friedrich Wilhelm III. in völliger Umkehrung seiner bisherigen Politik am 9. August 1806 die Mobilisierung des größten Teils der Armee an.
In dem folgenden Krieg, an dem Rußland als Verbündeter Preußens teilnahm, wurde die preußische Operationsplanung in oft unerträglichem Maß von den diplomatisch-politischen Rücksichtnahmen der militärischen wie auch der politischen Führung beeinträchtigt. Daneben kennzeichneten die ständige Unklarheit im Oberbefehl und fehlerhafte Anordnungen sowie Eigenmächtigkeiten der Unterführer zum größten Teil das Verhalten der militärischen Befehlshaber. Schon in einem Vorhutgefecht bei Saalfeld (9. Oktober 1806) fiel mit Prinz Louis Ferdinand der Kopf der preußischen Kriegspartei.
Bei ihrem Versuch, sich der drohenden Umklammerung zu entziehen, stieß die vom Herzog von Braunschweig angeführte preußische Hauptarmee (49000 Mann) bei Auerstedt auf Napoleons Marschall Davout. Obwohl dieser über weit weniger Truppen als sein Gegner verfügte (26000 Mann), ging er mutig zum Angriff über. Zur selben Zeit griff Napoleon mit dem größeren Teil seines Heeres (95000 Mann) bei Jena, das er am Tag zuvor schon hatte okkupieren lassen, die Preußen unter Fürst Hohenlohe (50000 Mann) an. Hohenlohe glaubte nicht an eine Schlacht und bot mit der nach Südwesten gerichteten Front seines Lagers zwischen Jena und Weimar dem Kaiser die Flanke, fast den Rücken dar. Als die Schlacht am Morgen des 14. Oktober schon in vollem Gange war, registrierte Preußens Befehlshaber zu spät, daß es sich um weit mehr als um ein Vorpostengefecht handelte. Trotz starker numerischer Unterlegenheit der Preußen stand der Kampf lange Zeit auf des Messers Schneide. Doch die immer neu eintreffenden Verstärkungen Napoleons entschieden letztlich die Schlacht zu seinen Gunsten. Die Niederlage der preußischen Truppen war vollständig, ihre Verluste betrugen rund 20000 Mann.
Auch die am selben Tag fallende Entscheidung von Auerstedt schlug zu Preußens Nachteil aus. Ungeschickte Marschordnungen, die eine Verstopfung der Straßen und als Folge ein Zerreißen der preußischen Verbände verursachten, leiteten die Schlacht ein. Die Preußen stellten allzu früh den Angriff ein und versäumten es, ihre Reserven heranzuziehen. Gleich zu Beginn wurde der Herzog von Braunschweig tödlich verwundet, was niederschmetternd und verwirrend auf die preußische Armee wirkte. Generalstabschef Scharnhorst verzettelte seine Kräfte auf dem gefährdeten linken Flügel der Hauptarmee. Als Folge davon gab es auf der preußischen Seite keine zentrale Führung mehr. König Friedrich Wilhelm III., der schließlich den Oberbefehl übernahm, zeigte sich der Situation nämlich in keiner Weise gewachsen. Angesichts des ungestümen Vordringens der Franzosen unter Davout verlor er den Mut.
Schließlich ging die Schlacht für die Preußen primär deshalb verloren, weil ihr König sie verloren gab. Vier getrennte Einzelgefechte, mit zersplitterten Kräften geführt, endeten mit einem Verlust von ca. 10000 Mann und einem Rückzug, der das Unglück erst vollkommen machte. Denn statt in nördlicher Richtung nach Magdeburg abzurücken, gab König Friedrich Wilhelm III. Weimar als Richtpunkt an. So prallten in der Nacht die Massen zweier geschlagener Armeen aufeinander und bildeten ein Chaos, in dem sich jede Ordnung auflöste. Schon am 27. Oktober 1806 zog Napoleon als triumphaler Sieger in Berlin ein.
Die Fortsetzung des Kriegs, an dem Preußen nur noch mit einem schwachen Armeekorps an der Seite der alliierten Russen teilnahm, führte am 7./8. Februar 1807 zu der für damalige Maßstäbe sehr blutigen Schlacht von Preußisch-Eylau. Hier konnte Napoleon erstmals in einem von ihm persönlich geleiteten Gefecht nicht siegen, sondern mußte sich mit einem unentschiedenen Ausgang begnügen. Zwar schlossen sich Rußland und Preußen im Bündnis von Bartenstein (26. April 1807) noch fester zusammen, doch erlitt Zar Alexander I. am 14. Juni 1807 in der Schlacht bei Friedland eine schwere Niederlage gegen Napoleon und ließ durch seinen nachfolgenden Rückzug den preußischen Partner im Stich.
Schon bald schloß der Zar mit dem Franzosenkaiser den Frieden von Tilsit (7. Juli 1807), der Preußen der Willkür des Siegers preisgab. Zwar verhinderte der Zar die Auflösung Preußens, stimmte aber einer Halbierung der Fläche zu und akzeptierte die Errichtung des Herzogtums Warschau, das dem König von Sachsen unterstehen sollte. Preußen verlor durch das Tilsiter Diktat neben den ehemals polnischen die westlich der Elbe gelegenen Gebiete und Danzig und mußte der Kontinentalsperre gegen England beitreten. Weitere Details wurden im Königsberger Abkommen (12. Juli 1807) festgelegt, so die horrende Kriegskontribution und die Verringerung der preußischen Armee, die nur noch ein Fünftel ihrer vorherigen Größe haben durfte (42000 Mann). Preußen war damit auf einem Tiefpunkt seiner Geschichte angelangt, der zum Ausgangspunkt für die preußischen Reformen (1807–1813) und den Wiederaufstieg Preußens werden sollte.
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Literatur:
- Gerd Fesser: 1806: Die Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt, Jena/Quedlinburg 2006
- Siegfried Fiedler: Grundriß der Militär- und Kriegsgeschichte, Bd. 3: Napoleon gegen Preußen, München 1978
- Colmar Freiherr von der Goltz: Von Roßbach bis Jena und Auerstedt. Ein Beitrag zur Geschichte des preußischen Heeres, Berlin 21906
- Reinhart Koselleck: Preußen zwischen Reform und Revolution, Stuttgart 1967