Die radikale Individualistin und Antikollektivistin Ayn Rand, geboren am 2. Februar 1905 in Sankt Petersburg, gilt als eine überaus wichtige philosophische und politische Inspirationsquelle der US-amerikanischen Konservativen und Radikalliberalen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, etwa der Tea-Party-Bewegung sowie der auch in Europa wachsenden staatskritischen Bewegung der Libertären.
Die Lektüre ihres Romans Atlas Shrugged (1957) hatte für viele Menschen eine lebensverändernde Schlüsselwerkfunktion. Das betrifft sowohl Rands Einstellung gegenüber der persönlichen Freiheit und dem freien Markt, als auch ihre Heroisierung des schöpferischen Erfinders und schaffenden Unternehmers bei gleichzeitiger moralischer Herabsetzung des umverteilenden Politikers („Plünderer“), des mit der Staatsmacht fraternisierenden Pseudounternehmers und des werterelativistischen oder nihilistischen Hof-Intellektuellen und Gleichheitsideologen. Zu den politischen Vorstellungen von Ayn Rand gehören ein Minimalstaat, der sich auf die Sicherung der positiven Freiheitsrechte seiner Bürger beschränkt, ein Laissez-Faire-Kapitalismus und eine goldgedeckte Währung.
Aufgrund ihrer scharf konturierten und unversöhnlich anmutenden Positionen gibt es allerdings nur wenige Rezipienten, die Ayn Rand in jedem Punkt folgen. So wirken Rands strenger Atheismus sowie ihr mitleidlos anmutender „rationaler Egoismus“ vor allem auf christliche Konservative befremdend, und auch die meisten Libertären sehen Rands philosophische Denkschule, den auf Logik und einer vom Bewußtsein unabhängigen Realität basierenden „Objektivismus“, als zu dogmatisch an.
Die vom Objektivismus abgeleitete Ästhetikdoktrin Rands, der „romantische Realismus“, der mit der Apotheose des von bestimmten menschlichen Regungen wie Neid und Altruismus völlig losgelösten, aber absolut selbstbewussten und daher vorbildlich tugendhaften „Idealmenschen“ (ideal man) einhergeht, erinnert Kritiker allzu sehr an links- und rechtssozialistische Schönheitsnormen.
Trotz aller Ablehnung ist Rands Popularität in den USA ungebrochen. So wurde Atlas Shrugged bereits 1991 in einer Umfrage der Nationalbibliothek zum einflußreichsten Buch nach der Bibel gewählt. Im Zuge der jüngsten Weltwirtschaftskrise und dem damit einhergehenden wachsenden Bewußtsein für die verheerenden Auswirkungen von Wohlfahrtsstaat und Finanzplanwirtschaft steigt auch der Absatz ihrer Bücher (Gesamtauflage fast 30 Millionen) wieder stark an.
Ayn Rand verstarb am 6. März 1982 in New York.
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Zitat:
Die Person, die alle liebt und sich überall zu Hause dünkt, ist der wahre Hasser der Menschheit. Sie erwartet nichts vom Menschen, also kann keine Form der Verderbtheit sie entrüsten.
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Schriften:
- We The Living, New York 1936 (dt. Vom Leben unbesiegt, Baden-Baden 1956)
- Anthem, London 1938 (dt. Die Hymne des Menschen, Berlin 1999)
- The Fountainhead, New York 1943 (dt. Der ewige Quell, Zürich 1946)
- Atlas Shrugged, New York 1957 (dt. Atlas wirft die Welt ab, Baden-Baden 1959)
- The Virtue of Selfishness, New York 1964
- Capitalism. The Unknown Ideal, New Work 1966
- Introduction to Objectivist Epistemology, New York 1967
- The Romantic Manifesto, New York 1969
- Philosophy. Who Needs It, New York 1982
- The New Left. The Anti-Industrial Revolution, New York 1999
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Literatur:
- Barbara Branden: The Passion of Ayn Rand, New York 1986
- Nathaniel Branden: My Years with Ayn Rand, San Francisco 1999
- Jeff Britting: Ayn Rand, Woodstock 2004
- Tibor R. Machan: Ayn Rand, New York 1991
- Tibor R. Machan: Ayn Rand. Ihr Werk, Grevenbroich 2008
- Leonard Peikoff: Objectivism. The Philosophy of Ayn Rand, New York 1993
- David Schah: Ayn Rand. Ihr Leben, Grevenbroich 2008