Die Abschaffung des Menschen — C.S. Lewis, 1979

Clive Sta­ples Lewis ist haupt­säch­lich als Autor von Fan­ta­sy-Kinder­büch­ern, vor allem durch die zulet­zt ver­filmte Nar­nia-Rei­he, pop­ulär gewor­den. Weniger bekan­nt ist dage­gen seine Bedeu­tung als philosophis­ch­er und the­ol­o­gis­ch­er Gege­naufk­lär­er und seine Zuge­hörigkeit zu jenen christlichen kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tionären Großbri­tan­niens, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­derts den Kampf gegen die intellek­tuelle Herrschaft der Linken führten. Lewis vertei­digte die Aus­sagen der christlichen Tra­di­tion gegen ihre ver­bre­it­ete Infragestel­lung durch einen sich aufk­lärerisch gebär­den­den Pos­i­tivis­mus und erlangte schon zu Lebzeit­en Bekan­ntheit als beg­nade­ter Pop­u­lar­isator christlich­er Apolo­getik.

Zu diesem Zweck entwick­elte Lewis eine Gen­er­alkri­tik der aufk­lärerischen Erken­nt­nis­the­o­rie, die er am eingängig­sten in drei zusam­men­hän­gen­den Vorträ­gen über die »Abschaf­fung des Men­schen« darstellte. An einem konkreten Beispiel zeigte Lewis in all­ge­mein­ver­ständlich­er Sprache, worauf es ihm ankam: Die let­zten Prinzip­i­en der Ethik und die Ver­nun­ft selb­st sind nicht ableit- oder begründ­bar, weil auf ihnen jede Ableitung oder Begrün­dung basiert. Das allein wider­legt den in der Aufk­lärung angelegten nat­u­ral­is­tis­chen Stand­punkt, der die gesamte Wirk­lichkeit auf der Basis von physikalis­chen Kausalverknüp­fun­gen beschreiben zu kön­nen behauptet.

Die damit ver­bun­dene Reduzierung der Wirk­lichkeit auf empirisch Faßbares entzieht sich selb­st den Boden, weil sie in ihrer Kon­se­quenz die Gültigkeit der Ver­nun­ft bestre­it­et. Wenn das men­schliche Denken nichts anderes als eine Bewe­gung von Neu­ro­nen im Gehirn sei, dann kön­nen die Ergeb­nisse des men­schlichen Denkens unmöglich richtig im Sinne ein­er Erfas­sung von Wirk­lichkeit sein. Ein solch­es Denken aber, das die Gültigkeit des Denkens selb­st in Zweifel zieht, ist sinn­los und führt zur Selb­stab­schaf­fung der Ver­nun­ft.

Aber nicht nur die Ver­nun­ft schafft sich durch das aufk­lärerische Pro­gramm selb­st ab, son­dern auch der Men­sch. Die Ursache dafür ist laut Lewis, daß es dem aufk­lärerischen Nat­u­ral­is­mus gar nicht um Erken­nt­nis geht, son­dern um Macht durch Naturbe­herrschung. Dazu muß alles nicht empirisch Faßbare in sein­er Exis­tenz bestrit­ten oder in die men­schliche Sub­jek­tiv­ität ver­lagert wer­den. Übrig bleibt als Rest nur noch die bloße Natur, die dann zur eigentlichen und auss­chließlichen Real­ität erk­lärt wird. Der Men­sch, solcher­maßen eben­falls zur Natur erk­lärt, schafft sich damit selb­st als Men­sch ab. Das wiederum, so Lewis, führt ger­adewegs in den Total­i­taris­mus.

Lewis bot damit eine kon­ser­v­a­tive Kul­turkri­tik, die auch sein­er poli­tis­chen Posi­tion entsprach. Das wird an sein­er grund­sät­zlichen Ablehnung des Egal­i­taris­mus eben­so erkennbar wie an sein­er konkreten Parteinahme gegen den Paz­i­fis­mus, die Koe­duka­tion und die Aufrich­tung ein­er Erziehungs­dik­tatur mit Hil­fe ein­er Reform des Strafrechts. Wichtiger ist aber die Grund­sät­zlichkeit, mit der Lewis den Kampf gegen die inkon­se­quenten Halb­heit­en der Mod­erne in der Wahrheits­frage und ihre fatal­en Fol­gen führte. Dieser Kampf richtete sich nicht nur gegen einen naiv­en Pos­i­tivis­mus, son­dern auch gegen den sub­til­eren intellek­tuellen Unsinn, der sich mit dem lin­guis­tic turn bere­its abze­ich­nete und dem wir auch heute noch in Gestalt des Kon­struk­tivis­mus aus­ge­set­zt sind. Dage­gen ver­trat Lewis einen essen­tial­is­tis­chen Stand­punkt, der die Sub­stanz der Dinge und ihre objek­tive Real­ität vertei­digte und der allein ein­er kon­ser­v­a­tiv­en Weltan­schau­ung angemessen ist, die sich nicht in einem hero­is­chen Nihilis­mus selb­st verzehren will.

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Zitat:

Es führt zu nichts, die Ersten Prinzip­i­en »durch­schauen« zu wollen. Wenn man durch alles hin­durch­schaut, dann ist alles durch­sichtig. Aber eine voll­ständig durch­sichtige Welt ist unsicht­bar gewor­den. Wer alles durch­schaut, sieht nichts mehr.

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Aus­gabe:

  • 6. Auflage, Freiburg: Johannes Ver­lag Ein­siedeln 2007

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Lit­er­atur:

  • Gis­bert Kranz: C.S. Lewis. Stu­di­en zu Leben und Werk, Bonn 1974