Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 — Armin Mohler, 1950

Mohler hat ein­mal davon gesprochen, daß er mit seinem Buch Die Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion in Deutsch­land den Ver­such unter­nom­men habe, seine Biogra­phie in eine Dis­ser­ta­tion umzuset­zen. Tat­säch­lich kann man seinen teil­weise aben­teuer­lichen Lebensver­lauf zwis­chen 1942 (dem Zeit­punkt des ille­galen Gren­züber­tritts von der Schweiz nach Deutsch­land, um sich frei­willig zur Waf­fen-SS zu melden) und 1949 (dem Zeit­punkt der Pro­mo­tion) als Spuren­suche zur Erfas­sung und Inter­pre­ta­tion der nicht­na­tion­al­sozial­is­tis­chen und nicht­deutschna­tionalen Recht­en in der Zwis­chenkriegszeit ver­ste­hen.

Diese von ihm als »kon­ser­v­a­tiv-rev­o­lu­tionär« apos­tro­phierte Strö­mung, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ent­stand und mit der Machtüber­nahme Hitlers endete (samt Vor­läufern im Wil­helmin­is­mus, Nach­läufern im NS-Regime), wandte sich gegen die lib­erale Demokratie eben­so wie gegen den Kom­mu­nis­mus, gegen den Monar­chis­mus eben­so wie gegen den real existieren­den Nation­al­sozial­is­mus.

Mohler hat in Anlehnung an eine For­mulierung Hugo von Hof­mannsthals von ein­er »Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion« (KR) gesprochen, die zulet­zt auf die Bil­dung ein­er »drit­ten Front« zielte; infolge der »Machter­grei­fung« Hitlers und der unüber­brück­baren Gegen­sätze zwis­chen NSDAP-Führung und KR aber scheit­erte. Insofern kon­nte er ihre Anhänger auch als »Trotzk­isten« des Nation­al­sozial­is­mus beze­ich­nen, ein schillern­der Begriff, der bei Mohler ohne genauere Erläuterung blieb.

Tat­säch­lich liegt die Stärke sein­er Argu­men­ta­tion auch nicht in solchen Gen­er­al­isierun­gen, eher in der Charak­ter­isierung der fünf Haupt­grup­pen der KR: der Völkischen, die von der Ewigkeit des »Volkes« bzw. der »Rasse« aus­gin­gen, der Jungkon­ser­v­a­tiv­en, die eine »schöpferische Restau­ra­tion« (Rudolf Bor­chardt) betrieben, der Nation­al­rev­o­lu­tionäre, die eine »organ­is­che Kon­struk­tion« (Ernst Jünger) anstrebten, der Land­volk­be­we­gung, deren Führer ganz in dem Antag­o­nis­mus Bauer-Bürg­er dacht­en und ähn­lich desin­ter­essiert an The­o­retis­chem waren wie die Bündis­chen, deren Leitvorstel­lung der »Bund« (vom Wan­der­vo­gel über die Freiko­rps zur Jugend­be­we­gung) selb­st war.

Sie alle, so Mohler, ver­band der Kampf gegen die Weimar­er Repub­lik und den Ver­sailler Ver­trag. Aber es gab darüber hin­aus noch etwas, das sie einte, näm­lich die Absage an den christlichen Äon. Diese sehr weit­ge­hende Behaup­tung begrün­dete Mohler im zweit­en Teil sein­er Arbeit unter Ver­weis auf Niet­zsches Lehre von der ewigen Wiederkehr, die ihn zu der Auf­fas­sung brachte, daß der christlichen Idee des lin­earen Zeitver­laufs eine hei­d­nis­che des großen Zyk­lus ent­ge­gengestellt wer­den müsse. Allerd­ings spielte für diesen Zusam­men­hang weniger der unmit­tel­bare Ein­fluß Niet­zsches eine Rolle – der bei Mohler stark war – als die Lek­türe einiger Texte Friedrich Georg Jüngers und die Inter­pre­ta­tion des abendländis­chen Nihilis­mus durch Karl Löwith. Mohler bestritt jedoch dessen Behaup­tung, daß es kein Zurück in die pagane Men­tal­ität gäbe.

Mohler ist auf die Idee des zyk­lis­chen Zeitver­laufs später nur noch gele­gentlich zurück­gekom­men. Die Kri­tik, die er an diesem Punkt erfuhr, war von Anfang an mas­siv, dürfte ihn aber kaum überzeugt haben. Das gilt genau­so für all jene Ein­wände, die darauf Bezug nah­men, daß eine kon­ser­v­a­tive bzw. rechte Posi­tion per se christlich sein müsse. Diese Argu­men­ta­tion besaß zum Zeit­punkt des Erscheinens der Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion, Anfang der fün­fziger Jahre, noch ein erhe­blich­es Maß an Überzeu­gungskraft. Trotz­dem hat Mohler an sein­er Auf­fas­sung fest­ge­hal­ten und mit Genug­tu­ung beobachtet, wie sie samt der These von der natür­lichen Affinität zwis­chen Chris­ten­tum und poli­tis­ch­er Link­er zunehmend an Plau­si­bil­ität gewann.

Der eigentliche Kern sein­er Darstel­lung – die Kapi­tel über die Haupt­grup­pen und die Bib­li­ogra­phie – hat­te von Anfang an Respekt her­vorgerufen. Was sich­er dazu beitrug, daß er sich in den bei­den fol­gen­den Jahrzehn­ten der Kär­rner­ar­beit unter­warf, das Büch­er- und Schriften­verze­ich­nis immer weit­er zu ergänzen, so daß 1972 eine zweite Fas­sung erscheinen kon­nte, deren Umfang (bei unverän­dertem Text­teil) auf mehr als das Vier­fache angewach­sen war.

Zu diesem Zeit­punkt war sich Mohler bere­its bewußt, zum »Gefan­genen« seines Erstlings gewor­den zu sein. Er hat deshalb den lange gehegten Plan ein­er voll­ständi­gen Über­ar­beitung zulet­zt aufgegeben und sich mit einem Ergänzungs­band für die Aus­gabe von 1989 beg­nügt. Zu dem Zeit­punkt galt er längst als der unbe­stre­it­bar beste Ken­ner der Materie »Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion« und Schöpfer eines »Syn­tag­mas« (Ste­fan Breuer), dessen Erfolg sog­ar seine Geg­n­er immer anerkan­nt haben und das sich nicht auf die Wis­senschaft beschränk­te, son­dern – wie Mohler immer gehofft hat­te – unmit­tel­baren Ein­fluß auf den Weltan­schau­ungskampf nahm.

– — –

Zitat:

Und mit der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion kommt die Welt zum Siege, der die »Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion« als der eigentliche Geg­n­er erscheint und die wir vor­läu­fig umschreiben möcht­en als eine Welt, die an einen stufen­weisen Fortschritt glaubt, alle Dinge, Beziehun­gen und Geschehnisse für ver­standesmäßig durch­schaubar hält und jeden Gegen­stand zu vere­inzeln und in sich selb­st zu begreifen sucht.

– — –

Aus­gabe:

  • Mohlers Textfas­sung als Nach­druck der zweibändi­gen Aus­gabe von 1989, Graz: Stock­er 1999; danach Neubear­beitung durch Karl­heinz Weiß­mann mit eigen­em Text­teil und erweit­ert­er Bib­li­ogra­phie als 6., völ­lig über­ar­beit­ete und erweit­erte Auflage, Graz: Ares 2005

– — –

Lit­er­atur:

  • Armin Mohler: Das Buch »Die Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion in Deutsch­land«, drei Jahrzehnte später, in: Revue d’Allemagne 14 (1982), Heft 1
  • Karl­heinz Weiß­mann: Armin Mohler. Eine poli­tis­che Biogra­phie, Schnell­ro­da 2011