Differenz

Dif­ferenz im Sinne von »Unter­schied« ist ein­er der kon­ser­v­a­tiv­en Gegen­be­griffe zu »Gle­ich­heit«, der grund­sät­zliche Vorzug, den man der Vielfalt gegenüber der Ein­falt gibt. Obwohl das immer bestrit­ten wird, führt egal­itäre Poli­tik dazu, Dif­feren­zen zu zer­stören: die natür­lichen eben­so wie die kul­turellen. Mit­tels erzieherisch­er oder Zwangs­maß­nah­men will man die Unter­schiede der einzel­nen, der Geschlechter, der Völk­er und Kul­turen beseit­i­gen. Es gibt aus dieser Sicht vor allem keine echt­en Dif­ferenz zwis­chen Men­schen, keine guten oder bösen, keine edlen oder gemeinen, keine dum­men oder klu­gen, keine häßlichen oder schö­nen; der­ar­tige Unter­schiede gel­ten als sekundär, nur als »gemacht« und insofern immer als kor­rigier­bar. Demge­genüber neigt der Kon­ser­v­a­tive zu der Auf­fas­sung, daß Dif­feren­zen wesens­mäßig sind. Sie entsprechen »dem wahren Plan der Natur, die ihren Reich­tum in der Man­nig­faltigkeit zeigt« (Jus­tus Mös­er).

Die Linke strebt Ent­d­if­feren­zierung an, weil ihr die Ver­schieden­heit der Ver­hält­nisse und der Men­schen »ungerecht« oder »undemokratisch« erscheint. Immer geht es dabei um Eineb­nung; den Abwe­ichun­gen von der Norm ver­sucht sie wesentliche Merk­male zu nehmen oder sie voll­ständig auszuschal­ten. Die jakobinis­chen Maß­nah­men während der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion kön­nen als exem­plar­isch gel­ten. Sie ziel­ten nicht nur darauf ab, die tradierte Staats­form zu zer­stören, son­dern über­haupt jeden gewach­se­nen Unter­schied – etwa zwis­chen den Regio­nen – und die Tra­di­tion zur Gänze auszulöschen. Gle­ichzeit­ig wollte man einen Kollek­tivis­mus etablieren, der dem »neuen Men­schen« durch Uni­formierung und einen egal­itären Sit­tenkodex den Weg bere­it­ete. Im Vor­griff auf das kom­mende Zeital­ter der Gle­ich­heit befahlen die Jakobin­er sog­ar die Zer­störung der Kirchtürme, damit nichts über das gemeine Maß der Gebäude hin­aus­ragte, und köpften, erschossen, ertränk­ten oder ver­bran­nten jeden, der auf­grund sein­er Herkun­ft (Adelige, aber auch Bre­to­nen, Elsäss­er oder Juden) oder sein­er Überzeu­gung (vor allem Chris­ten) die »heilige Gle­ich­heit« gefährdete.

Zum egal­itären Konzept ste­ht das lib­erale des Plu­ral­is­mus schein­bar in Gegen­satz. Der Begriff beze­ich­nete ursprünglich in den USA das Nebeneinan­der ganz ver­schieden­er christlich­er Denom­i­na­tio­nen bei fehlen­der Staatskirche. Erst nach dem Zweit­en Weltkrieg verknüpfte man Plu­ral­is­mus mit der Forderung nach »accep­tance«, das heißt nach wahllos­er Dul­dung aller möglichen Anschau­un­gen und Lebensstile. Kaschiert wurde dabei, daß die Ver­fechter des Plu­ral­is­mus von ein­er imma­nen­ten Ten­denz der Entwick­lung aus­gin­gen, die die Auflö­sung aller herge­bracht­en Bindun­gen und voll­ständi­ge Emanzi­pa­tion der Indi­viduen bewirkt. Deshalb glaubt man auch jed­er Anschau­ung und jedem Lebensstil die Legit­im­ität ent­zo­gen, der von dieser Ten­denz abwe­icht. Der selt­same Gle­ich­schritt von dauern­der Pro­pa­gan­da für mehr Tol­er­anz und wach­sender Unduld­samkeit gegenüber kon­ser­v­a­tiv­en Posi­tio­nen erk­lärt sich im West­en aus diesem Sachver­halt.

Beruhi­gen­der­weise erre­icht Ent­d­if­feren­zierung nie ihr Ziel. Das hat damit zu tun, daß In-Dif­ferenz unnatür­lich ist, das heißt, daß die Natur immer danach strebt, Vielfalt entste­hen zu lassen oder wieder herzustellen. Außer­dem braucht der Men­sch Unter­schiede, um die Welt zu ver­ste­hen und sein Dasein zu bewälti­gen. Päd­a­gogis­che oder gewalt­same Ent­d­if­feren­zierung ist aber trotz dieser Sper­ren eine Gefahr, denn sie trägt zur Zer­störung konkreter Ord­nun­gen bei und entzieht dem Men­schen, was er zur Aus­bil­dung sein­er Iden­tität benötigt.

Die Wertschätzung von Dif­ferenz durch den Kon­ser­v­a­tiv­en hat ein­mal damit zu tun, daß er Ver­schieden­heit ästhetisch schön find­et, dann damit, daß er die Fähigkeit zur Unter­schei­dung – nicht nur in Geschmacks­fra­gen – als Ausze­ich­nung betra­chtet, schließlich damit, daß die Besei­t­i­gung von Unter­schieden nicht nur der Beherrschbarkeit im all­ge­meinen, son­dern auch der Vor­bere­itung total­itären Durch­greifens dient.

Selb­stver­ständlich sind damit nie Dif­feren­zen an sich gemeint. Die Ver­schieden­heit wird immer auf ein Ganzes hin gedacht, sie ist nicht zu ver­wech­seln mit Beliebigkeit.

– — –

Zitate:

Wir wählen das Recht auf Dif­ferenz, das schöne Recht, man selb­st zu sein, das gle­ichzeit­ig die wichtig­ste aller Pflicht­en ist.
Alain de Benoist

Der Men­sch ist nicht, wie eine Ameise oder eine Ter­mite, von sein­er Phy­lo­ge­nese so kon­stru­iert, daß er es erträgt, ein anonymes und dur­chaus aus­tauschbares Ele­ment unter Mil­lio­nen völ­lig gle­ichar­tiger zu sein.

Kon­rad Lorenz

Lit­er­atur: