Externsteine: Lippisches Land, bei Horn

Am 7. Okto­ber 1957 schrieb Armin Mohler an Ernst Jünger: »Nun, wenn ich Dik­ta­tor wäre, würde eine mein­er ersten Hand­lun­gen sein, dass ich die ganze Gegend um die Extern­steine abschliessen würde. Gasthaus und Strasse wür­den getil­gt. Und Zutritt bekäme nur, wer zuvor genau geprüft wor­den wäre. Er müsste erst inner­halb der Umzäu­nung schlafen, fern von den Steinen, und dann zu Fuss hinge­hen. Die nicht Zuge­lasse­nen dürften sich dafür an den Gütern der Völk­er ausser­halb unser­er eige­nen Welt sattse­hen, von ostasi­atis­chen Gemälden über ägyp­tis­che Reliefs bis zu Benin-Bronzen«. Mohler, der für Ernst Jünger als Sekretär arbeit­ete, kam auch später noch ein­mal auf seine Zukun­ft­spläne für die Extern­steine zurück, fand bei seinem »Meis­ter« aber nur wenig Res­o­nanz.

Als Extern­steine wird eine For­ma­tion aus fünf Haupt­felsen im Teu­to­burg­er Wald beze­ich­net, die sich über eine Strecke von fast einem Kilo­me­ter erstreckt und zahlre­iche Grot­ten und Plateaus aufweist. In ein­er anson­sten fel­sar­men Land­schaft erre­ichen sie eine Höhe von bis zu 50 Metern über dem nahegele­ge­nen Wiem­beck­ete­ich und haben offen­bar früh einen nach­halti­gen Ein­druck auf die Men­schen gemacht. Archäol­o­gis­che Funde weisen auf eine Bedeu­tung für religiöse Bräuche im Mit­te­lal­ter hin, aber schon seit dem 16. Jahrhun­dert gab es die Vorstel­lung, daß die
Extern­steine auch als ger­man­is­che Kult­stätte dien­ten. Später verknüpfte sich dieser Gedanke mit dem, daß der höch­ste Felsen Stan­dort des ger­man­is­chen Heilig­tums der Irmin­sul gewe­sen sei.

Auf die Vorstel­lung, daß sich die Irmin­sul auf der eige­nar­ti­gen Felsen­for­ma­tion erst der nieder­säch­sis­che His­torik­er Ulrich Gru­pen im drit­ten Teil seines Werkes Orig­ines Ger­ma­ni­ae hin. Das Buch Gru­pens erschien posthum 1768, und später lassen sich kaum andere Äußerun­gen find­en, die Irmin­sul und Extern­steine in Verbindung brin­gen. Das änderte sich grundle­gend mit dem Erscheinen des Buchs Ger­man­is­che Heiligtümer von Wil­helm Teudt im Jahre 1929.

Teudt zählte zu den Vet­er­a­nen der völkischen Bewe­gung. 1860 geboren, hat­te er ursprünglich Evan­ge­lis­che The­olo­gie studiert, war in den Pfar­r­di­enst einge­treten und gehörte in der Wil­helminis­chen Zeit zum Umfeld Friedrich Nau­manns. Wie bei anderen aus den Rei­hen der nation­al-sozialen Pfar­rerschaft wuchs auch bei Teudt die Dis­tanz zum christlichen Glauben. Trotz seines Alters meldete er sich im August 1914 noch frei­willig und diente als Sol­dat, kehrte aus dem Krieg in seine lip­pis­che Heimat zurück und beteiligte sich aktiv an der Organ­i­sa­tion von
Ein­wohn­er­wehren und ver­schiede­nen völkischen Ver­bän­den. Par­al­lel zur Ver­schär­fung sein­er poli­tis­chen Ein­stel­lung machte sich Teudt als völkisch­er Laien­forsch­er mit aus­geprägter Lei­den­schaft für die Frühgeschichte einen Namen. Bekan­nt wurde er vor allem dadurch, daß er begann, die Extern­steine als kom­plexe Sakralan­lage zu deuten, beste­hend aus Stern­warte,
Schatzkam­mer und der Irmin­sul, die – auf der Spitze des soge­nan­nten »Felsen 2« sich erhebend – wei­thin im alten Sach­sen zu sehen gewe­sen sein sollte, Aus­druck der Verehrung für die Göt­ter und deren Wel­tord­nung.

Teudts Inter­pre­ta­tion der Extern­steine zeugte zwar von einem aus­geprägten Vorver­ständ­nis im Sinne der völkischen Ide­olo­gie, sie hätte aber kaum solche Wirkung gehabt, wenn er nicht gle­ichzeit­ig die Behaup­tung aufgestellt hätte, daß man an dem soge­nan­nten Kreuz­ab­nah­me­bild (immer­hin dem ältesten plas­tis­chen Kunst­werk auf deutschem Boden), einem Felsen­re­lief
am Fuß der Extern­steine, eine Darstel­lung der Irmin­sul erken­nen könne. Und zwar sollte der »Throns­es­sel«, auf dem die Gestalt des Nikode­mus – deren Beine schon damals fehlten – stand, die her­abge­bo­gene Irmin­sul gewe­sen sein: »… so wurde den ersten Beschauern die Forderung versinnbildlicht, daß das Chris­ten­tum als siegre­ich über das zer­broch­ene Hei­den­tum anzuerken­nen sei«.

Damit war zum ersten­mal behauptet, daß es – jen­seits aller Speku­la­tion – eine Vorstel­lung vom Ausse­hen der Irmin­sul gebe, die aus einem aufra­gen­den Stamm mit zwei geschwun­genen Enden bestanden haben sollte. In der drit­ten Auflage der Ger­man­is­chen Heiligtümer von 1934 fehlt nicht nur der vor­sichtige Ton­fall, in dem Teudt seine Annah­men bis dahin vor­ge­tra­gen hat­te. Er erk­lärte nun auch – wohl um dem neuen Zeit­geist Rech­nung zu tra­gen – die Zer­störung der Beine des Nikode­mus damit, »daß empörte Ger­ma­nen die Füße des auf das Heilig­tum tre­tenden Mannes zer­schla­gen haben«. Die Veröf­fentlichung löste eine ganze Flut polemis­ch­er Lit­er­atur aus, deren Aus­läufer sich bis in siebziger Jahre erstreck­ten. Vere­in­facht gesagt, standen dabei Völkische und Eso­terik­er auf der einen Seite, Katho­liken und Archäolo­gen auf der anderen Seite. Schon wegen des außeror­dentlichen Inter­ess­es, das Himm­ler für die Extern­steine gezeigt hat­te, kon­nte nach 1945 natür­lich kein Fach­wis­senschaftler mehr für den ger­man­is­chen Charak­ter der Extern­steine plädieren.

Der Fasz­i­na­tion dieses Natur­denkmals hat das keinen Abbruch getan. Eher im Gegen­teil. Zwar stag­niert das touris­tis­che Inter­esse seit langem auf ver­hält­nis­mäßig hohem Niveau, aber auch die weltan­schaulich Inter­essierten find­en bis heute ihren Weg. Waren es in der Nachkriegszeit nur die Betont-Nationalen, die sich zu Son­nen­wend­feiern vor den Felsen trafen, sind es seit dem Aufkom­men des New-Age-Okkul­tismus auch alle möglichen Natur­re­ligiösen, Schwärmer und Jugend­be­wegten, die sich zu Walpur­gis oder anderen Feierta­gen des hei­d­nis­chen Jahres­laufs
vor dem »Kraftort« ver­sam­meln.

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Lit­er­atur:

  • Erich Kit­tel: Die Extern­steine. Ein kri­tis­ch­er Bericht zu ihrer Erforschung und Deu­tung neb­st Führer durch die Anla­gen, Det­mold 1984
  • Wil­helm Teudt: Ger­man­is­che Heiligtümer. Beiträge zur Aufdeck­ung der Vorgeschichte, aus­ge­hend von den Extern­steinen, den Lippe­quellen und der Teu­to­burg, Jena 1934
  • Elke Treude/Michael Zelle: Die Extern­steine bei Horn, Det­mold 2011
  • Karl­heinz Weiß­mann: Irmin­sul, Göt­tin­gen 2012