Mohler, Armin, Publizist, 1920–2003

Mohler wurde am 12. Mai 1920 als Sohn eines Eisen­bahn­beamten in Basel geboren und wuchs in der Sicher­heit der schweiz­erischen Mit­telschicht auf. Angeregt durch einen Fre­und – den späteren Maler Hugo Weber – entwick­elte er früh ein leb­haftes Inter­esse an bilden­der Kun­st. Nach dem Abitur nahm er deshalb 1939 ein Studi­um der Kun­st­geschichte auf und kam in nähere Verbindung zu den linksin­tellek­tuellen Zirkeln der Stadt, die sich um den Leit­er des Basler Kun­st­mu­se­ums Georg Schmidt gesam­melt hat­ten. 1941 wurde Mohler zum Mil­itär­di­enst einge­zo­gen. Zu dem Zeit­punkt begann sich bei ihm eine gewisse ide­ol­o­gis­che Neuori­en­tierung abzuze­ich­nen: weg von Marx­is­mus und Psy­cho­analyse, hin zu den Ideen der später von ihm so apos­tro­phierten „Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion“.

Vor­erst glaube Mohler, daß diese ihre Real­isierung in Gestalt des nation­al­sozial­is­tis­chen Deutsch­land gefun­den habe. Infolgedessen über­schritt er in der Nacht vom 8. auf den 9. Feb­ru­ar 1942 ille­gal die Gren­ze und meldete sich frei­willig zur Waf­fen-SS. Die Begeg­nung mit den Real­itäten des „Kom­mis­sarstaats“ ernüchterten ihn aber rasch. Mohler zog seine Mel­dung zurück und ging lediglich zum Studi­um nach Berlin. Im Dezem­ber kehrte er in die Schweiz zurück, mußte sich wegen „ille­galen Gren­züber­tritts“ und ander­er Delik­te vor einem Mil­itärg­ericht ver­ant­worten. Das Urteil lautete auf ein Jahr im „mil­itärischen Strafvol­lzug“ (soge­nan­nte „Fes­tung­shaft“).

Nach einem anschließen­den Sana­to­ri­um­saufen­thalt kehrte Mohler nach Basel zurück, imma­trikulierte sich wieder, wech­selte allerd­ings zum Haupt­fach Philoso­phie, um die Möglichkeit zu haben, aus sein­er „Biogra­phie eine Dis­ser­ta­tion zu machen“. Mit ein­er Arbeit über die rechtsin­tellek­tuellen Bewe­gun­gen des Zwis­chenkriegs, die er unter dem Begriff der „Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion“ zusam­men­faßte, wurde Mohler 1949 bei Her­man Schmalen­bach und Karl Jaspers zum Dr. phil. pro­moviert. Kurz darauf ver­ließ er die Schweiz endgültig und trat eine Stelle als Sekretär bei Ernst Jünger an.

Neben der Beziehung zu Carl Schmitt war vor allem die zu Jünger für Mohler prä­gend. Das hat­te in erster Lin­ie mit sein­er „nom­i­nal­is­tis­chen“ Weltauf­fas­sung zu tun, die sich in der Abwen­dung von der Linken aus­ge­bildet hat­te und derzu­folge es keine Uni­ver­salien gibt – für Mohler: „All­ge­mein­heit­en“ – son­dern nur Beson­deres, das heißt Phänomene, deren Bedeut­samkeit von den Men­schen fest­gelegt wird. Mit diesem Konzept, das auch auf Ein­flüsse Schopen­hauers und Niet­zsches ver­weist, hat­te Mohler eine Son­der­stel­lung unter den Kon­ser­v­a­tiv­en der Nachkriegszeit inne. Es spielte selb­stver­ständlich auch seine explizite Ablehnung des Chris­ten­tums eine Rolle, aber wichtiger war noch die kon­se­quente Weigerung, an die Restau­rier­barkeit früher­er Größen (Chris­ten­tum, Abend­land, Bürg­er­tum) zu glauben.

Diese Gegen­wart­sori­en­tierung erk­lärt weit­er, warum Mohler sich in den Jahren seines Frankre­ich­saufen­thalts (1953–1961) als Kor­re­spon­dent der schweiz­erischen Tat und der deutschen Zeit inten­siv mit dem Gaullis­mus beschäftigte, den er als Mod­ell ein­er „neuen Recht­en“ betra­chtete. Seine Ver­suche, nach­dem er wieder in der Bun­desre­pub­lik lebte, einen „deutschen Gaullis­mus“ zu etablieren, scheit­erten allerd­ings samt und son­ders: das hat­te nicht nur mit dem Fehlen ein­er geeigneten Führungsper­son zu tun – der in Aus­sicht genommene Franz-Josef Strauß erwies sich als ungeeignet -, son­dern auch mit der Weigerung der Deutschen, einen an Schmitt ori­en­tierten, mithin real­is­tis­chen, Poli­tik­be­griff zu akzep­tieren.

In den sechziger Jahren hat Mohler in mehreren Anläufen ver­sucht, seine „Poli­tik“ vorzustellen, zuerst mit einem Aufriß in Was die Deutschen fürcht­en (1965), dann mit mehreren Büch­ern, die sich mit Fehlen­twick­lun­gen auseinan­der­set­zten: Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung (1968), Sex und Poli­tik (1972) sowie Der Traum vom Natur­paradies (1978).

Obwohl einige dieser Bände hohe Aufla­gen erre­icht­en, blieb ihre Wirk­samkeit begren­zt. Das hat­te vor allem mit dem säku­laren Linkstrend zu tun, der sich gegen jeden Wider­stand von rechts durch­set­zte. Mohler hat sich trotz­dem wed­er zurück­ge­zo­gen noch die Seit­en gewech­selt. Let­zteres wäre ihm auch schw­er gefall­en, da er auf Grund des Skan­dals um seine (sehr kurzfristige und anonyme) Tätigkeit für die Nation­al-Zeitung in den tonangeben­den Kreisen als bête noire galt. Der kon­se­quenten Ver­fe­mu­ng stand nur seine sehr erfol­gre­iche Tätigkeit als Sekretär, dann als Geschäfts­führer der Carl Friedrich von Siemens-Stiftung gegenüber, die er nach sein­er Rück­kehr aus Frankre­ich 1961 aufgenom­men hat­te. Unter Mohlers Leitung wurde das Haus zu ein­er der pro­fil­iertesten Insti­tu­tio­nen dieser Art.

Sein Brot­beruf ließ Mohler indes noch genü­gend Zeit, um weit­er jour­nal­is­tisch tätig zu sein. Da ihm die größeren Ver­lage und Foren ver­schlossen waren, beteiligte er sich aktiv am Auf­bau ein­er unab­hängi­gen kon­ser­v­a­tiv­en Pub­lizis­tik. Wichtig war für ihn vor allem die von seinem Fre­und Cas­par von Schrenck-Notz­ing gegrün­dete Zeitschrift Crit­icón, zu deren promi­nen­testen Mitar­beit­ern er zählte. Daneben stand eine fort­laufende wis­senschaftliche Tätigkeit, die sich nicht nur in der steten Erweiterung der ersten Fas­sung der Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion nieder­schlug, son­dern auch in der Veröf­fentlichung mehrerer großer Essays, unter denen Der faschis­tis­che Stil (1973) und Weltan­schau­un­gen der recht­en poli­tis­chen Grup­pierun­gen (1980) her­vorge­hoben seien.

Grund für einen gewis­sen Opti­mis­mus in (meta-)politischer Hin­sicht sah Mohler nach 1968 nur noch zwei Mal: angesichts der Achtungser­folge der Nou­velle Droite (1979) in Frankre­ich und nach der Wiedervere­ini­gung (1989/90). Er mußte allerd­ings schließlich zugeben, daß die „Weltherrschaft des Lib­er­al­is­mus“ fürs erste etabliert war und die Stunde der „neuen Recht­en“ erst schla­gen werde, wenn die „Jahrhun­derte der Langeweile“ im post his­toire begin­nen.

Mohler starb am 4. Juli 2003 in München.

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Zitat:

„Dauer im Wech­sel“ kön­nte die Losung der „Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion“ sein. Es wech­seln die einzel­nen For­men, die Gesamt­struk­tur der Welt in uns und um uns herum bleibt. Vor allem bleibt der „Haushalt“ der gle­iche, das Ver­hält­nis von Geburt und Tod, das Ver­hält­nis von Gut und Schlecht, von Schmerz und Freude, das Ver­hält­nis des Einzel­nen zum Ganzen. Jed­er Ver­such, dieses Gle­ichgewicht zu stören, ist darum eine Ver­messen­heit. Jed­er Ver­such, eine der bei­den Seit­en abso­lut zu set­zen und so einen „vol­lkomme­nen“ Zus­tand zu erre­ichen, muß zum Scheit­ern führen.

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Schriften:

  • Die Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion in Deutsch­land 1918–1932. Grun­driß ihrer Weltan­schau­un­gen, Stuttgart 1950. [Zweite Fas­sung: Darm­stadt 1972; dritte Fas­sung: Nach­druck der zweit­en und Ergänzungs­band, Darm­stadt 1989]
  • Die franzö­sis­che Rechte, München 1958
  • Was die Deutschen fürcht­en. Angst vor der Poli­tik, Angst vor der Geschichte, Angst vor der Macht, Stuttgart 1965
  • Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung. Von der Läuterung zur Manip­u­la­tion, Stuttgart 1968 [Zweite Auflage: Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung oder Wie man den Krieg nochmals ver­liert, Krefeld 1980. Dritte, stark erweit­erte Auflage: Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung, Krefeld 1981]
  • Sex und Poli­tik, Freiburg i. Br. 1972
  • Von rechts gese­hen, Stuttgart-Degerloch 1974
  • Ten­den­zwende für Fort­geschrit­tene, München 1978
  • Wider die All-Gemein­heit­en, Krefeld 1981
  • Der Nasen­ring. Im Dic­kicht der Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung, Essen 1989 [Zweite Fas­sung: Der Nasen­ring. Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung vor und nach dem Fall der Mauer, München 1991]
  • Lib­eralenbeschimp­fung. Drei poli­tis­che Trak­tate, Essen 1990
  • Georges Sorel. Erz­vater der Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion, Bad Vil­bel 2000

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Lit­er­atur:

  • Karl­heinz Weiß­mann: Armin Mohler. Eine poli­tis­che Biogra­phie, Schnell­ro­da 2011
  • Karl­heinz Weiß­mann: Bib­li­ogra­phie Armin Mohler, in: ders., Ellen Kositza und Götz Kubitschek (Hrsg.): Lauter dritte Wege. Armin Mohler zum 80. Geburt­stag, Bad Vil­bel 2000, S. 39–96