Sieburg, Friedrich — Publizist, 1893–1964

Sieburg wurde in der west­fälis­chen Stadt Alte­na am 18. Mai 1893 in ein­er katholis­chen Fam­i­lie des rheinis­chen Bürg­er­tums geboren. Seine Mut­ter war adeliger Herkun­ft, kam aber aus finanziell beschei­de­nen Ver­hält­nis­sen. Der Vater war Bahn­beamter. Bere­its als 16-jähriger veröf­fentlichte Sieburg erste Gedichte in den Düs­sel­dor­fer Nachricht­en. Anschließend studierte er Philoso­phie, Geschichte, Lit­er­atur und Nation­alökonomie in Hei­del­berg und pro­movierte 1919 in Mün­ster in Lit­er­atur­wis­senschaft. Bis 1923 lebte er als freier Schrift­steller in Berlin und berichtete von 1926 bis 1939 für die Frank­furter Zeitung aus Paris über Poli­tik und Gesellschaft.

Sieburg, der 1939 in den deutschen Auswär­ti­gen Dienst berufen wurde und zwis­chen­zeitlich in Deutsch­land wieder für die Frank­furter Zeitung tätig war, wurde nach dem Krieg von der franzö­sis­chen Besatzungs­macht mit einem Pub­lika­tionsver­bot (1945–1948) belegt. Seit 1956 für die Frank­furter All­ge­meine Zeitung tätig, galt er als schar­fer Kri­tik­er der „Gruppe 47“ und eine Art „Lit­er­atur­papst“ der frühen Bun­desre­pub­lik.

Es beste­ht weitest­ge­hend Einigkeit darin, daß Sieburg mit Büch­er wie Gott in Frankre­ich? (1929) nach dem Ersten Weltkrieg Frankre­ich für die Deutschen wieder­ent­deck­te. Unbe­strit­ten ist auch seine stilis­tis­che Meis­ter­schaft. So nan­nte ihn Hans-Georg von Studnitz einen „Sin­foniker der Sprache“. Als prob­lema­tisch wurde später – unter anderem von Joachim Fest – Sieburgs Zeit im „Drit­ten Reich“ gew­ertet. Er galt vie­len zwar nicht als überzeugter Nation­al­sozial­ist, aber zumin­d­est als „hochfein­er Col­lab­o­ra­teur“. Sein Anfang 1933 erschienenes Werk Es werde Deutsch­land war laut Fest „kein Pro­dukt jenes scharen­weisen intellek­tuellen Über­läufer­tums“, son­dern durch seinen „vagen, pathetisch ver­grü­bel­ten Ton“ gehöre es eher in die Nähe der soge­nan­nten „Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion“.

Der Ästhet Sieburg sah die Repub­lik Ade­nauers zuse­hends in einem Kult des Materiellen ertrinken. Er erkan­nte die Prob­lematik der „Poli­tik der Umerziehung“ der Deutschen und behar­rte auf der fortbeste­hen­den Aktu­al­ität der deutschen Frage. Dabei war er aber – wie Hans-Christof Kraus her­aus­gear­beit­et hat – zu keinem Zeit­punkt ein die West­o­ri­en­tierung des Lan­des in Frage stel­len­der „Nation­al­neu­tral­ist“. Im Grunde ein kon­ser­v­a­tiv­er Stilist und Lit­er­at von Rang, war Sieburg zwar kein poli­tis­ch­er Denker, aber „ein bedeu­ten­der Zeitgenosse mit bedeu­ten­den Ein­sicht­en und erstaunlichem Urteilsver­mö­gen“ (Kraus), der die Schat­ten­seit­en der Amerikanisierung erkan­nte und der poli­tisch links ste­hen­den tonangeben­den Lit­er­atur der „Gruppe 47“ nichts abgewin­nen kon­nte. Ausweis dieser Geis­te­shal­tung ist sein Spätwerk Die Lust am Unter­gang von 1954.

Nicht frei von Ego­manie und Eit­elkeit, hat er stets Dis­tanz zum „Ver­sorgungsstaat“ der Ade­nauer-Zeit bewahrt. Auf­grund seines nicht immer glück­lichen Agierens in der NS-Zeit kon­nte er seine Rolle als Ver­mit­tler zwis­chen deutsch­er und franzö­sis­ch­er Kul­tur in späteren Jahren nur noch eingeschränkt wahrnehmen. Ausweis sein­er lit­er­arischen Begabung und seines aus­geprägten Geschichts­be­wusst­seins sind „pop­ulär“ geschriebene Biogra­phien über Robe­spierre, Chauteaubriand oder Napoleon.

Friedrich Sieburg starb am 19. Juli 1964 in Gär­trin­gen.

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Zitat:

Wir haben unsere Geschichte eher vergessen als rev­i­diert.

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Schriften:

  • Gott in Frankre­ich? Ein Ver­such, Frank­furt a.M. 1929
  • Vendée, Frank­furt a.M. 1931
  • Es werde Deutsch­land, Frank­furt a.M. 1933
  • Polen. Leg­ende und Wirk­lichkeit, Frank­furt a.M. 1934
  • Robe­spierre, Frank­furt a.M. 1935
  • Die stäh­lerne Blume. Eine Reise nach Japan, Frank­furt a.M. 1940
  • Schwar­weiße Magie. Über die Frei­heit der Presse, Tübin­gen 1949
  • Die Lust am Unter­gang. Selb­st­ge­spräche auf Bun­de­sebene, Ham­burg 1954
  • Nur für Leser. Jahre und Büch­er, Stuttgart 1955
  • Napoleon. Die 100 Tage, Stuttgart 1956
  • Chateaubriand. Roman­tik und Poli­tik, Stuttgart 1959

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Lit­er­atur:

  • Cecil­ia von Bud­den­brock: Friedrich Sieburg. Ein deutsch­er Jour­nal­ist vor der Her­aus­forderung eines Jahrhun­derts, Frank­furt a.M. 2007
  • Joachim Fest: Friedrich Sieburg. Ein Por­trait ohne Anlass, in: ders.: Aufge­hobene Ver­gan­gen­heit. Por­traits und Betra­ch­tun­gen, München 1983
  • Hans-Christof Kraus: Als kon­ser­v­a­tiv­er Intellek­tueller in der frühen Bun­desre­pub­lik – Das Beispiel Friedrich Sieburg, in: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Die kupierte Alter­na­tive. Kon­ser­vatismus in Deutsch­land nach 1945, Berlin 2005