Fest, Joachim C., Historiker, 1926–2006

Fest, geboren am 8. Dezem­ber 1926 in Berlin-Karl­shorst, besuchte zunächst die Volkss­chule, dann das Leib­niz-Gym­na­si­um in Berlin und schließlich das Friedrich-Gym­na­si­um in Freiburg im Breis­gau. Schon seine Kind­heit wurde zwangsweise poli­tisiert, als im April 1933 die Ent­las­sung seines Vaters, dem er mit seinem 2006 erschiene­nen Buch Ich nicht. Erin­nerun­gen an eine Kind­heit und Jugend ein lit­er­arisches Denkmal errichtete, aus dem Beam­ten­di­enst erfol­gte. Diese neue Sit­u­a­tion bedeutete nicht nur finanzielle Ein­bußen für die katholis­che, preußisch geprägte Fam­i­lie, son­dern auch den Ver­lust von sozialem Sta­tus.

Nach Kriegs­di­enst und amerikanis­ch­er Gefan­gen­schaft studierte Fest in Freiburg, Frank­furt am Main und Berlin Jura, Geschichte, Sozi­olo­gie, Ger­man­is­tik und Kun­st­geschichte. Die Pläne für eine Dis­ser­ta­tion in Kun­st­geschichte zer­schlu­gen sich, da Fest sehr früh und nach eige­nen Angaben auch finanziell äußerst erfol­gre­ich jour­nal­is­tisch reüssierte. Als Redak­teur für poli­tis­che und zeit­geschichtliche Fra­gen arbeit­ete er schließlich für den RIAS-Berlin. Eine Zeit­lang leit­ete er die Junge Union in Berlin-Neukölln und war auch CDU-Abge­ord­neter in der dor­ti­gen Bezirksver­samm­lung.

Im Jahr 1963 erschien sein erstes Buch, mit dem Titel Das Gesicht des Drit­ten Reich­es. Pro­file ein­er total­itären Herrschaft. Es wird bis zum heuti­gen Tage immer wieder aufgelegt. Kri­tik­er lobten die Meis­ter­schaft der Darstel­lung in Verbindung mit einem kühlen und dis­tanzierten Blick auf das Geschehen während der NS-Herrschaft: Es finde sich keine Spur von moralis­chem Eifer­ertum in dem Buch.

Fest machte nicht nur als poli­tis­ch­er Schrift­steller, son­dern auch als Jour­nal­ist schnell Kar­riere. 1961 war er als Chef­dra­maturg und stel­lvertre­tender Haupt­abteilungsleit­er zum Nord­deutschen Rund­funk nach Ham­burg gekom­men. Seit 1963 amtierte er als Chefredak­teur und Haupt­abteilungsleit­er Zeit­geschehen des NDR. Als Nach­fol­ger des Linkskatho­liken Eugen Kogon, dessen Werk Der SS-Staat er schätzte, über­nahm er für kurze Zeit die Leitung der Sendung »Panora­ma«, die für Zünd­stoff und Kon­tro­ver­sen sorgte. Ab März 1968 wurde Fest für mehrere Jahre von seinem Posten beim NDR beurlaubt, um seine große Hitler-Biogra­phie schreiben zu kön­nen. In dieser Zeit ent­standen mehrere (finanziell sehr lukra­tive) große Spiegel-Essays aus der Fed­er Fests, der damals sich­er noch nicht als Kon­ser­v­a­tiv­er gel­ten kon­nte.

1973 erschien schließlich seine Hitler-Biogra­phie, bis heute ein Stan­dard­w­erk – weniger der Fak­ten­sicher­heit wegen als der Durch­dringung des Stoffs und des meis­ter­haften Stils des Autors. In sein­er Zeit als Mither­aus­ge­ber der Frank­furter All­ge­meinen Zeitung (1973–1993) erschienen nur wenige Buchveröf­fentlichun­gen. Fest zeigte sich zuse­hends als melan­cholis­ch­er Kon­ser­v­a­tiv­er mit ein­er Vor­liebe für die ital­ienis­che Renais­sance, der als Vertreter der skep­tis­chen Gen­er­a­tion vor einem roman­tis­chen Rück­fall der Deutschen (z. B. durch die »68er«) warnte. In seinen späteren Werken zog er gegen utopis­che Heilsver­sprechen zu Felde und legte Büch­er über die Brüder Mann, Albert Speer und seine zahlre­ichen promi­nen­ten Wegge­fährten vor. Er kam auch immer wieder auf das »Dritte Reich« zurück, das er eigentlich für ein »Gossen­the­ma« hielt. Als His­torik­er gren­zte sich Fest, der gegen den »Kult des Bruch­stücks« bei seinen Zun­ftkol­le­gen polemisierte, von den Vertretern der Sozial- und Struk­turgeschichte ab.

Fest starb am 11. Sep­tem­ber 2006 in Kronberg/Taunus.

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Zitat:

Der Kon­ser­v­a­tive geht von eini­gen für ihn unbezweifel­baren Prämis­sen aus: daß die Welt unvol­lkom­men, der Men­sch schwach und das Böse eine Macht ist; daß alle Geschichte nur ein Treiben in immer anderen Kostü­men ist; daß alle inner­weltlichen Ver­heißun­gen an einem irri­gen Men­schen­bild kranken. Er will das Bewährte fes­thal­ten, ohne sich der Zukun­ft zu ver­schließen, ist aber nicht bere­it, jeden Preis dafür zu zahlen.

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Schriften:

  • Das Gesicht des Drit­ten Reich­es. Pro­file ein­er total­itären Herrschaft, München 1963
  • Hitler. Eine Biogra­phie, Frank­furt a. M. 1973
  • Die schwierige Frei­heit. Über die offene Flanke der offe­nen Gesellschaft, Berlin 1993
  • Staatsstre­ich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994
  • Ich nicht. Erin­nerun­gen an eine Kind­heit und Jugend, Rein­bek bei Ham­burg 2006

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Lit­er­atur:

  • Karl Diet­rich Bracher: Von Geschichte umgeben. Joachim Fest zum Sechzig­sten, Berlin 1986
  • Ans­gar Lange: Der Bürg­er auf der Galeere. Zum Tod von Joachim Fest, in: Die Poli­tis­che Mei­n­ung (10/2006), Nr. 443