Walhalla — Bayern, Donaustauf bei Regensburg

»Mögen so wie diese Steine sich zusam­men­fü­gen, alle Deutschen kräftig zusam­men­hal­ten.« Diesen Wun­sch hat­te der Bauherr, Lud­wig I. von Bay­ern (žMünchen: Feld­her­rn­halle), bei der Grund­stein­le­gung der Wal­hal­la am 18. Okto­ber 1830, dem 17. Jahrestag der Völk­er­schlacht von Leipzig, aus­ge­sprochen. Genau zwölf Jahre später, wieder am Jahrestag des Befreiungskampfes
gegen Napoleon, anläßlich der feier­lichen Ein­wei­hung, fügte er seinem ursprünglichen Wun­sch noch hinzu: »Möchte Wal­hal­la förder­lich sein der Erstarkung und Ver­mehrung Deutschen Sinnes! Möcht­en alle Deutschen, welchen Stammes sie auch seien, immer fühlen, daß sie ein gemein­sames Vater­land haben, ein Vater­land, auf das sie stolz sein kön­nen, und jed­er trage bei, soviel er ver­mag, zu dessen Ver­her­rlichung.«

Im Jahr 1807, in ein­er Zeit der tief­sten Erniedri­gung Deutsch­lands durch Napoleon (žWater­loo), hat­te der dama­lige Kro­n­prinz Lud­wig den Plan zur Errich­tung ein­er Gedenkstätte gefaßt, ein­er Wal­hal­la (nach Wal­hall, Halle der Gefal­l­enen), in der die Bild­nisse der »rühm­lich aus­geze­ich­neten Teutschen« aufgestellt wer­den soll­ten. Während Lud­wigs Vater, Max Joseph I., ähn­lich wie andere deutsche Fürsten und Könige dem kor­sis­chen Erober­er huldigten, ver­wandte der nation­al­gesin­nte Wit­tels­bacher­prinz seine Gelder dazu, von den namhaftesten deutschen Bild­hauern sein­er Zeit, so von Got­tfried Schad­ow (Berlin: Bran­den­burg­er Tor), Chris­t­ian Daniel Rauch, Chris­t­ian Friedrich Tieck oder Johann Hein­rich von Dan­neck­er, Büsten her­aus­ra­gen­der Deutsch­er anfer­ti­gen zu lassen. Bei der Auswahl ließ sich der Kro­n­prinz von dem His­torik­er Johannes von Müller berat­en, wobei – dies gilt auch heute noch – grund­sät­zlich jed­wede Per­sön­lichkeit in die Wal­hal­la aufgenom­men wer­den kann, welche »teutsch­er Zunge sey«  und bere­its seit min­destens zwanzig Jahren tot ist. 1814, nach der Nieder­ringung Napoleons, erließ Lud­wig einen Aufruf an die deutschen Architek­ten, Entwürfe für eine Wal­hal­la einzure­ichen. Doch keine Arbeit überzeugte. Von 1821 an schuf dann der aus Hildesheim stam­mende und nach München berufene Leo von Klen­ze in Einzel­ber­atun­gen mit Lud­wig seinen Entwurf.  Doch erst 1825, nach der Krö­nung Lud­wigs, waren auch die finanziellen Mit­tel zur Errich­tung des Ehrentem­pels gegeben.

Der im dorischen Stil gehal­tene Außen­bau atmet eine erhabene klas­sis­che Strenge. Vor­bild war der Parthenon­tem­pel in Athen. Die Wal­hal­la ruht auf einem mächti­gen, mehrfach gestaffel­ten Unter­bau. Die Länge des Bauw­erkes beträgt 66,7, die Bre­ite 31,6, die Höhe 20 Meter. Die Gesam­tan­lage mit Unter­bau mißt 125 Meter Länge und 55 Meter Höhe. Die Innen­maße haben eine Länge von 48,5, eine Bre­ite von 14 und eine Höhe von 15,5 Meter. Als Stan­dort wurde der etwa 100 Meter hohe Breu­berg bei Donaus­tauf in der Nähe von Regens­burg gewählt, nach­dem zuvor einige andere Bau­plätze, u. a. in München, ver­wor­fen wor­den waren. Der Lang­bau der Wal­hal­la lehnt sich dabei dem langgestreck­ten Bergrück­en an und erhebt sich imposant über die hier beson­ders bre­ite Donauebene. Das vordere und hin­tere Giebelfeld des Bauw­erkes ist mit Mar­mor­bildern des Bild­hauers Lud­wig von Schwan­thaler aus­ges­tat­tet. Auf der Nord­seite ist die Schlacht im Teu­to­burg­er Wald dargestellt und auf der Süd­seite huldigen die deutschen Bun­desstaat­en nach der Befreiung von der napoleonis­chen Fremd­herrschaft der in der Mitte thro­nen­den Ger­ma­nia.

In das Innere der Wal­hal­la gelangt man durch die wuchti­gen Tor­flügel der riesi­gen Ein­gangsp­forte. Im oberen Teil der Halle tra­gen Kary­ati­den das Gebälk. Der darun­ter­liegende, umlaufende Innen­fries wurde von Mar­tin von Wag­n­er geschaf­fen und zeigt die Frühgeschichte der Ger­ma­nen. In den Senkgiebeln der Dachbinder sind Fig­uren­grup­pen aus der ger­man­is­chen Göt­ter­sage ange­bracht. Zwis­chen den im unteren Teil der Halle aufgestell­ten Büsten befind­en sich ins­ge­samt sechs von Chris­t­ian Daniel Rauch gefer­tigte Walküren – sie haben gewis­ser­maßen die toten Helden nach Wal­hall, sprich in die Wal­hal­la, zu leit­en.

Bei der Eröff­nung 1842 wur­den 160 Per­so­n­en mit 96 Büsten und 64 Gedenk­tafeln geehrt, wobei man die Tafeln in Fällen fehlen­der authen­tis­ch­er bzw. halb­wegs authen­tis­ch­er Vor­la­gen oder zum Gedenken beson­der­er Hand­lun­gen, wie dem Rütlis­chwur, wählte. Büsten und Tafeln sind in der Rei­he des Todes­da­tums (d. h. des Ein­gangs in Wal­hall), im Uhrzeigersinn, aus­ge­hend von der Ein­gangstür, aufgestellt. Dabei sind sie jew­eils in zwei Rei­hen (die Büsten mitunter auch in drei Rei­hen) übere­inan­der ange­ord­net. Die ober­halb des Frieses ange­bracht­en Gedenk­tafeln begin­nen
in der ersten Rei­he mit Arminius, dem Sieger über Rom, und enden mit dem Geschichtss­chreiber Egin­hard; die untere Rei­he fängt mit dem Bischof und Gelehrten Rha­banus Mau­rus an und schließt mit Peter Hen­lein, dem Erfind­er der Taschenuhr. Die Büsten der oberen Rei­hen wur­den mit einzel­nen Trag­steinen über Kopfhöhe an der Wand ange­bracht, begin­nend mit König Hein­rich I. (žž Quedlin­burg) und endend mit der Kaiserin Maria There­sia(žžLeuthen). Die der unteren Rei­he ste­hen weniger exponiert nebeneinan­der auf Podesten und begin­nen mit Less­ing. 1847, fünf Jahre nach der Eröff­nung, wurde mit Mar­tin Luther (žžWart­burg, Wit­ten­berg) der erste Neuzu­gang gewählt. In der Zeit von 1847 bis 2013 sind ins­ge­samt 33 Büsten hinzugekom­men, im Schnitt alle fünf Jahre eine. Aus­nahme in der Rei­hen­folge und Aus­führung bildet das große Stand­bild des Stifters König Lud­wig I., das 1890 freis­te­hend an der Stirn­seite der Halle, direkt in der Blick­achse der Ein­gangsp­forte, aufgestellt wurde.

Die Auswahl der Büsten stellt natür­lich immer auch ein Poli­tikum dar bzw. geht stets mit dem herrschen­den Zeit­geist ein­her. Wer gehört zu den Großen und Edlen und wer nicht? Es gibt Namen, die ste­hen außer­halb jeden Zweifels: Dür­er, Johannes Kepler, Kant (žKönigs­berg), Goethe, Mozart, Beethoven oder Bis­mar­ck. Daneben gibt es aber auch Namen von Herrsch­ern, Kirchen­fürsten, Mil­itärs oder Kün­stlern, die über­be­w­ertet erscheinen und die heute weit­ge­hend vergessen sind. Wer ken­nt z. B. noch Julius Echter von Mespel­brunn, sein­erzeit Erzbischof von Würzburg und Stre­it­er für die Gegen­re­for­ma­tion? Oder Anton Raphael Mengs? Zu Lebzeit­en und bis in das 19. Jahrhun­dert hinein als Maler­ge­nie gefeiert, wird er seit­dem kun­sthis­torisch weit niedriger gehängt. Daneben fehlen wichtige Namen! Wo bleibt Schopen­hauer? Wo bleibt Niet­zsche? Oder auch, wo bleibt Max Planck?

Gle­ich­wohl ist das Bemühen erkennbar, grobe Fehlgriffe zu mei­den. Auch wird der Wider­stre­it inner­halb ein­er Epoche nicht über­gan­gen – voraus­ge­set­zt, auf bei­den Seit­en befan­den sich Per­sön­lichkeit­en. Friedrich der Große (Leuthen, Oder­bruch, Pots­dam) ist z. B. eben­so präsent wie seine bei­den großen Gegen­spielerin­nen, die deutschstäm­mige Zarin Katha­ri­na II. und die deutsch-römis­che Kaiserin Maria There­sia. In der Zeit des Drit­ten Reich­es wurde nur eine Büste aufgestellt: die des Kom­pon­is­ten Anton Bruck­n­er.

Seit den 1990er Jahren macht sich die Ten­denz bemerk­bar, die Neuzugänge ver­stärkt nach den Gesicht­spunk­ten der poli­tis­chen Kor­rek­theit auszuwählen. Konkret bedeutet dies, daß eine Art Frauen­quote gilt (Karoli­na Ger­hardinger, Sophie Scholl, Edith Stein) und daß ver­stärkt Men­schen jüdis­ch­er Abstam­mung (Albert Ein­stein, Edith Stein, Hein­rich Heine) oder Per­so­n­en, die Wider­stand im Drit­ten Reich leis­teten bzw. Opfer nation­al­sozial­is­tis­ch­er Gewalt wur­den (Edith Stein, Sophie Scholl), Auf­nahme find­en.

Per­sön­lichkeit­en, die in irgen­dein­er Weise, und sei sie auch noch so rudi­men­tär, einen Bezug zum Nation­al­sozial­is­mus aufweisen, kom­men hinge­gen für eine Auswahl nicht mehr in Frage, wie z. B. der bis zu seinem Tode (1977) über­schwenglich gefeierte Raketen­forsch­er Wern­her von Braun, der Kom­pon­ist Hans Pfitzn­er, der Kul­tur­philosoph Oswald Spen­gler – selb­st einem Niet­zsche erscheint unter diesem Aspekt eine Auf­nahme langfristig ver­wehrt. Mit der 2003 aufgestell­ten Büste Sophie Scholls hat es überdies eine beson­dere Bewandt­nis: Ihr wurde der promi­nente let­zte Platz neben der Ein­gangsp­forte dauer­haft reserviert. Neuzugänge dür­fen an dieser Stelle nicht mehr aufgestellt wer­den, so daß die bis dahin einge­hal­tene Chronolo­gie dadurch gesprengt ist. Außer­dem wurde unter­halb ihrer Büste eine Gedenk­tafel – die man im Gegen­satz zu den übri­gen Tafeln eben­falls bevorzugt posi­tion­iert hat – ange­bracht, die an sämtliche Wider­ständler im Drit­ten Reich erin­nert: »Im Gedenken an alle, die gegen Unrecht, Gewalt und Ter­ror des “Drit­ten Reich­es” mutig Wider­stand leis­teten.« Dadurch erhal­ten die Wider­ständler des Drit­ten
Reich­es – etwa im Gegen­satz zu denen des Kom­mu­nis­mus – einen Son­der­sta­tus, der jedem Geg­n­er des Nation­al­sozial­is­mus eine his­torische Größe zus­pricht, die ihn zur Auf­nahme in die Ruhme­shalle berechtigt. – Offen­sichtlich regiert selb­st in Wal­hall mit­tler­weile der Antifaschis­mus.

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Lit­er­atur:

  • Horst Hanske/Jörg Traeger: Wal­hal­la – Ruhmestem­pel an der Donau. Ein Bilder­band, Regens­burg 1992
  • André Rank: Die Wal­hal­la im Zeital­ter des roman­tis­chen Nation­al­is­mus, o. O. 2008
  • Staatlich­es Bauamt Regens­burg (Hrsg.): Wal­hal­la. Amtlich­er Führer, Regens­burg 2011
  • Ruprecht Stolz: Die Wal­hal­la. Ein Beitrag zum Denkmals­gedanken des 19. Jahrhun­derts, Diss. Univ. Köln 1977