Siedler, Wolf Jobst — Publizist, 1926–2013

Armin Mohler nan­nte drei Gründe, als er Siedler im Criti­con ein Autoren­porträt wid­mete: Er sei unter den kon­ser­v­a­tiv­en Autoren ein­er der „besten und eigen­willig­sten For­mulier­er“, er sei ein typ­is­ch­er Vertreter des kon­ser­v­a­tiv­en Einzel­gängers, der sich mit nie­man­dem gemein machen wolle und er sei, neben Gross und Alt­mann, das „kon­ser­v­a­tive Ali­bi für die Mei­n­ungs­mach­er“. Siedler wurde in den Medi­en nicht nur toleriert und ver­faßte zus­tim­mungs­fähige Essays, son­dern spielte über viele Jahre selb­st eine her­aus­ra­gende Rolle im Medi­en­be­trieb.

Siedlers Fam­i­lie ist fest in Berlin und Preußen ver­ankert, zu seinen Vor­fahren gehören Johann Got­tfried Schad­ow und Carl Friedrich Zel­ter, sein Vater war als Syn­dikus in der Indus­trie tätig. Ein ein­schnei­den­des Erleb­nis ist für den jun­gen Siedler, als er und der mit ihm befre­un­dete Sohn Ernst Jüngers wegen Wehrkraftzer­set­zung zum Tode verurteilt und schließlich zur Front­be­währung, die für Jünger tödlich endet, beg­nadigt wer­den. Lebenslang resul­tiert daraus ein Miß­trauen gegen Mehrheit­en und eben die gesuchte Rolle des Einzel­gängers.

Nach einem Studi­um der Philoso­phie, Sozi­olo­gie und Ger­man­is­tik wurde Siedler zunächst Gen­er­alsekretär des Deutschen Büros des „Kon­ger­ess­es für kul­turelle Frei­heit“, ein­er antikom­mu­nis­tisch und auf West­bindung zie­len­den Vere­ini­gung, die, wie später her­auskam, vom CIA finanziert wurde und vor allem linkslib­erale Intellek­tuelle ansprechen sollte. Anschließend war Siedler Redak­teur bei der amerikanis­chen Neuen Zeitung und von 1955 bis 1963 Feuil­letonchef des linkslib­eralen Tagesspiegel. Die Essays aus dieser Zeit begrün­de­ten seinen Ruf als kuturkon­ser­v­a­tiv­en Pub­lizis­ten.

Er wech­selte dann auf die Ver­leger­seite und wurde Leit­er des Propy­läen-Ver­lages, machte im Springer-Konz­ern Kar­riere und führte schließlich alle unter Ull­stein zusam­menge­faßten Ver­lage. In diese Zeit erschien sein bekan­ntestes und wichtig­stes Buch Die gemordete Stadt (1964), das ihn zum Vor­re­it­er ein­er später ein­set­zen­den Nos­tal­giebe­we­gung machte, die es nicht mehr hin­nehmen wollte, daß die deutschen Alt­stadtvier­tel abgeris­sen wur­den, son­dern den Eigen­wert der schö­nen Form beton­ten.

Als Ver­leger pflegte Siedler vor­wiegend die kul­turkon­ser­v­a­tive Seite, hat­te Kon­takt mit wichti­gen Autoren, so Ernst Jünger, der ihm zahlre­iche wichtige Hin­weise gab. Ein­er davon war die Veröf­fentlichung der bel­letris­tis­chen Werke von Pierre Drieu la Rochelle, die zwis­chen 1966 und 1972 bei Ull­stein erschienen. Auch Hell­mut Diwald Geschichte der Deutschen (1978) fällt in diese Zeit, wobei Diwald damals nicht als Rechter galt und auch die gegenchro­nol­o­gis­che Herange­hensweise eher eine exper­i­mentelle Sehn­sucht ver­ri­et.

Im Mai 1979 mußte Siedler Ull­stein ver­lassen und grün­dete Anfang 1980 seinen eige­nen Ver­lag, den er in weni­gen Jahren zu einem erfol­gre­ichen Unternehmen machte. Her­aus­ra­gende Buch­pro­jek­te waren Siedler Deutsche Geschichte (13 Bde, 1982–2000), die unter der Über­schrift „Die Deutschen und ihre Nation“ einen Gege­nen­twurf zu Propy­läen Deutsche Geschichte liefer­ten, und die Deutsche Geschichte im Osten Europas (10 Bde, 1992–1999). 1993 verkaufte Siedler den Ver­lag an Gruppe Ran­dom House, wo er bis heute als eigene Marke weit­erge­führt wird. Siedlers Sohn grün­dete 2004 den wjs ver­lag.

Das schrift­stel­lerische Werk Siedlers beste­ht vor allem aus Essays, die er in ver­schei­de­nen Sam­mel­bän­den veröf­fentlicht hat. 1965 erschienen die Behaup­tun­gen, die Mohler als „schön­ste Essay-Samm­lung, die ein deutsch­er Kon­ser­v­a­tiv­er seit 1945“ veröf­fentlicht hat, beze­ich­nete. Melan­cholie über das tote Preußen und die Selb­stauf­gabe des Bürg­er­tums sind wiederkehrende Motive sein­er Auf­sätze. 1982 hielt Siedler die Lau­da­tio auf Ernst Jünger zur Ver­lei­hung des Goethe-Preis­es in Frank­furt am Main, in der er Jünger als „die vor­läu­fig let­zte Erschei­n­ungs­form von Weltlit­er­atur in deutsch­er Sprache“ feierte.

Wolf Job­st Siedler ver­starb am 27. Novem­ber 2013 in Berlin.

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Zitat:

Die Großzügigkeit im Volup­tuösen ist von d’Annunzio bis Celine eine Sache des ästhetis­chen Kon­ser­v­a­tivis­mus. Moralis­ch­er Rig­oris­mus find­et sich nicht sel­ten mit sozialem Ressen­ti­ment ver­bun­den und zumeist auf der Seite poli­tis­ch­er Auf­säs­sigkeit. Die Tugend ist ein Instruem­nt poli­tis­ch­er Minier­ar­beit gewor­den.

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Schriften:

  • [mit Elis­a­beth Nigge­mey­er]: Die gemordete Stadt. Abge­sang auf Putte und Straße, Platz und Baum, Berlin 1964
  • Behaup­tun­gen, Berlin 1965
  • Wed­er Maas noch Memel. Ansicht­en vom beschädigten Deutsch­land, Stuttgart 1982
  • Abschied von Preußen, Berlin 1991
  • Der Ver­lust des alten Europa. Ansicht­en zur Geschichte und Gegen­wart, Stuttgart 1996
  • Phoenix im Sand. Glanz und Elend der Haupt­stadt, Berlin 1998
  • Ein Leben wird besichtigt. In der Welt der Eltern, Berlin 2000
  • Wir waren noch ein­mal davongekom­men. Erin­nerun­gen, München 2004
  • Wider den Strich gedacht, München 2006

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Lit­er­atur:

  • Armin Mohler: Wolf Job­st Siedler. Der tolerierte Kon­ser­v­a­tive, in: Criti­con 75 (Jan./Feb. 1983)