Den Aufruf „An mein Volk“, der in der Schlesischen privilegirten Zeitung vom 20. März 1813 zur allgemeinen Verbreitung abgedruckt wurde, hatte der dem ostpreußischen Patriotenkreis angehörende Staatsrat Theodor Gottlieb von Hippel verfaßt. In eindringlichen Worten verknüpfte er Rückblick und Rechenschaft über die preußischen Leiden der letzten Jahre mit der Aufforderung zum Befreiungskampf.
Der Aufruf schlug in gelungener Weise eine Brücke zwischen Fürst und Volk und schloß mit den Worten: „Keinen anderen Ausweg gibt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet Ihr getrost entgegengehen um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag.“ Diese Prosa war der seinerzeit intensiv auflebenden vaterländischen Dichtung würdig und gab das Signal zur Eröffnung des Befreiungskriegs gegen die französische Fremdherrschaft. In der Folge traten neben die Linientruppen die neuaufgestellten freiwilligen Jägerverbände, die Freikorps (von denen das des Majors Adolf von Lützow, eines Kampfgefährten des am 31. Mai 1809 gefallenen Majors Ferdinand von Schill, das berühmteste werden sollte) sowie Landwehr und Landsturm.
Parallel zu dem Aufruf stiftete Friedrich Wilhelm III. auch den Orden vom Eisernen Kreuz, der als eine Kriegsauszeichnung ohne jeden Standesunterschied verliehen werden sollte. Die Stiftungsurkunde ließ der König jedoch auf den 10. März, den Geburtstag seiner am 19. Juli 1810 verstorbenen Frau, der höchst populären Königin Luise, zurückdatieren. Das Eiserne Kreuz wurde zu einem Sinnbild der strengen Größe dieser Zeit und eines Krieges, in dem die Opferbereitschaft der Kämpfenden oft von den Grundkräften einer schlichten, aber intensiven Religiosität getragen wurde.
Friedrich Wilhelm III., der entschlußschwach und auch weiterhin von Zweifeln geplagt war, sind diese Maßnahmen sehr schwergefallen. Keineswegs verhielt es sich so, wie es die preußische Geschichtslegende darstellen will: „Der König rief, und alle, alle kamen!“ Viel eher war es so, wie gegnerischer Spott es formulierte: „Alle, alle riefen, und der König kam immer noch nicht.“ Für den Monarchen wie für viele an seinem Hof stellte die allgemeine Volksbewaffnung etwas stark Bedrohliches dar, dem nur allzu leicht die Revolution hätte folgen können. Doch statt dieser sollte etwas ganz anderes aus dem Aufruf Friedrich Wilhelms III. resultieren: Deutschlands Befreiung vom Joch der französischen Fremdherrschaft, besiegelt durch die Völkerschlacht bei Leipzig.
Seit Österreich am 11. August 1813 der antifranzösischen Koalition beigetreten war und bald darauf die Kampfhandlungen zwischen dieser und Frankreich wieder begonnen hatten, war die militärische Lage Napoleons deutlich schlechter geworden. Dazu kamen auch noch Rückschläge auf politisch-diplomatischem Gebiet wie die weitere Festigung der Koalition durch die Verträge von Teplitz (9. September 1813) und den Austritt Bayerns aus dem Rheinbund im Vertrag von Ried (8. Oktober 1813), der auf einer diplomatischen Meisterleistung Fürst Metternichs basierte. Trotz alledem stand die endgültige Entscheidung noch aus, denn militärisch war Napoleon noch nicht besiegt. Auf diese letzte Entscheidung zielten die Operationen der Alliierten ab, die ihn so umstellten, daß er zur Annahme der Schlacht bei Leipzig geradezu gezwungen wurde. Rund 200000 Franzosen und Rheinbundtruppen standen etwa 350000 Soldaten der Verbündeten gegenüber.
Am 16. Oktober, dem ersten Tag der Schlacht, konnte Napoleon den Angriff der Verbündeten südöstlich von Leipzig bei Wachau abwehren. Besonders heftig tobte der Kampf um Wachau selbst. Am Nachmittag hatte der französische Kaiser den Sturm auf das feindliche Zentrum unter massivem Einsatz von Kavallerie und Artillerie bis zum Wachberg an den Fuß des Hügels vorangetrieben, auf dem der alliierte Oberbefehlshaber Fürst Schwarzenberg und die drei Monarchen ihren Standort bezogen hatten. Diese mußten ihre Reserven heranziehen, was den französischen Vorstoß zum Erliegen brachte.
Beide Seiten behaupteten in etwa ihre anfänglichen Stellungen, doch immerhin konnte sich Napoleon den Erfolg des Tages insofern zuschreiben, als der Angriff der Alliierten an seinen Gegenstößen abgeprallt war. Aber er konnte seinen Erfolg nicht ausnutzen, denn die erhofften Verstärkungen, die nördlich von Leipzig standen, blieben aus. Seine Marschälle Ney und Marmont, die den linken Flügel seiner Schlachtordnung bildeten, sahen sich durch Blücher aufgehalten. Schließlich erstürmten die Alliierten trotz heftigen Widerstands der Franzosen das Dorf Möckern. Eine allgemeine Entscheidung war am 16. Oktober zwar noch nicht gefallen, aber die Streitkräfte der Alliierten waren derart zahlreich, daß sie noch genügend Verstärkungen in die Schlacht werfen konnten. Es wurde auch klar, daß die Vereinigung ihrer drei Teilarmeen jetzt nicht mehr zu verhindern war. Sie vollzog sich am nächsten Tag und machte die Siegeshoffnungen Napoleons fast ganz zunichte.
Am 17. Oktober, einem Sonntag, schwiegen die Waffen. Napoleon allerdings nutzte diese Kampfpause nicht zum Abzug. Nach ergebnislosen Verhandlungen mit den Alliierten traf er Maßnahmen zur Fortsetzung des Kampfs. Zum Durchbruch entschlossen, ließ er in der Frühe durch General Bertrand die Rückzugsstraße nach Weißenfels, die einzige noch verfügbare, offen halten. Im Prinzip diente das Gefecht des 18. Oktober lediglich dem geordneten Rückzug durch Leipzig.
Doch inzwischen war das von den Alliierten herbeigesehnte Reserveheer Bennigsens im Osten der alliierten Hauptarmee herangerückt und die Nordarmee Bernadottes in Breitenfeld eingetroffen. So hatte die Koalition eine fast erdrückende Übermacht erlangt. Napoleon wirkte dem durch eine nähere Rücknahme seiner Truppen an die Stadt Leipzig entgegen, und dank dem verspäteten Eingreifen seines alten Rivalen Bernadotte konnte er dem umfassenden Angriff seiner Gegner auch am 18. Oktober standhalten. Während sein linker Flügel bis in Leipzigs unmittelbare Nähe zurückgedrängt wurde, vermochten sich sein rechter Flügel und sein Zentrum weitgehend zu behaupten. Bei Paunsdorf gingen jedoch mitten im Kampf zwei komplette sächsische Divisionen sowie zwei württembergische Kavallerieregimenter von Napoleon zu den Verbündeten über. Sie drehten plötzlich ihre Kanonen um und feuerten auf die Franzosen, mit denen sie gerade noch zusammen gekämpft hatten. Trotzdem konnte Napoleon am Abend des 18. Oktober ca. 100000 Soldaten auf die Straße nach Weißenfels retten.
Als früh am 19. Oktober die Alliierten feststellten, daß Napoleon die um Leipzig gelegenen Dörfer geräumt hatte, setzten sie zum Sturm auf die Stadt an, die von seiner Nachhut nicht mehr zu halten war. Um sich zurückzuziehen, stand den geschlagenen Truppen nur die schmale Brücke über die Elster zur Verfügung. Napoleon hatte sich gerade durch die Haufen der Flüchtenden gekämpft, als die Brücke vorzeitig gesprengt wurde. Was sich von der Nachhut noch diesseits befand — zumeist Rheinbundtruppen -, geriet in Gefangenschaft. Allein durch dieses Unglück verlor die französische Armee 12000 Mann. Gegen Mittag hielten König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Zar Alexander I. von Rußland ihren Einzug in Leipzig. Unter den Gefangenen befand sich auch König Friedrich August I. von Sachsen, der weiter zu Napoleon gehalten hatte. Die Franzosen hatten ca. 38000 Tote und Verwundete sowie rund 30000 Gefangene zu beklagen. Die Verbündeten büßten mindestens 54000 Tote und Verwundete ein.
An die Stelle des Kampfs um die Befreiung von Frankreichs Fremdherrschaft trat nach der Völkerschlacht der Kampf um die Neuordnung Europas. Während Napoleons Resttruppen Richtung Rhein flohen, wurden die politischen Folgen sichtbar: Der Rheinbund löste sich ebenso rasch auf wie seine „Modellstaaten“ auf deutschem Boden (Großherzogtum Berg, Königreich Westfalen). Mit Ausnahme weniger Festungen war Ende 1813 das gesamte rechtsrheinische Deutschland befreit. Der preußische Armeebericht beschrieb dies mit den Worten: „So hat die […] Völkerschlacht vor Leipzig das Schicksal der Welt entschieden.“
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Literatur:
- Andreas Platthaus: 1813. Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt, Berlin 2013
- Hans-Joachim Schoeps: Preußen. Geschichte eines Staates, Frankfurt a. M. 1966
- Hans-Ulrich Thamer: Die Völkerschlacht bei Leipzig: Europas Kampf gegen Napoleon, München 2013