Schoeps, Hans-Joachim — Historiker, 1909–1980

Für Schoeps war neben dem Eltern­haus, er stammte aus ein­er assim­i­lierten und sehr patri­o­tis­chen jüdis­chen Fam­i­lie, die Jugend­be­we­gung, genauer die Frei­deutschen Jugend, der er sich in den zwanziger Jahren anschloß, entschei­dend für seine Prä­gung. Die in der Jun­gend emp­fan­genen Impulse waren für sein ganzes Leben maßge­blich.

Schoeps, geboren am 30. Jan­u­ar 1909 in Berlin, studierte seit 1928 Reli­gion­swis­senschaft, Geman­is­tik, Geschichte und Philoso­phie und wurde 1932 bei Joachim Wach in Leipzig mit ein­er Arbeit zur Geschichte der jüdis­chen Reli­gion­sphiloso­phie in der Neuzeit (1935 erschienen) pro­moviert. Gemein­sam mit Max Brod gab er einen Kaf­ka-Nach­laß-Band her­aus (1931). In der End­phase der Weimar­er Repub­lik suchte er Kon­takt zur Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion, ins­beson­dere zu den Jungkon­ser­v­a­tiv­en aus der Motzs­traße. Er veröf­fentlichte in den Zeitschriften Tat und Ring, engagierte sich in der Volk­skon­ser­v­a­tiv­en Vere­ini­gung, ein­er Abspal­tung der DNVP und führte mit Hans Blüher ein Stre­it­ge­spräch über Chris­ten­tum und Juden­tum, das noch 1933 erschien.

Durch die Machtüber­nahme der Nation­al­sozial­is­ten kon­nte er wegen sein­er Abstam­mung wed­er Staat­sex­a­m­en noch Habil­i­ta­tion able­gen und schlug sich als Pub­lizsit und Ver­leger durch. Er grün­dete den „Deutschen Vortrupp. Gefol­gschaft deutsch­er Juden“ und set­zte sich für eine Anerken­nung der Juden als eige­nen Stand und einen Verbleib der Juden in Deutsch­land ein (vgl. Bere­it für Deutsch­land). Sein­er dro­hen­den Ver­haf­tung ent­zog er sich durch Flucht ins neu­trale Schwe­den, wo er bis zum Kriegsende lebte. Durch Stipen­di­en unter­stützt, nutzte er die Zeit für umfan­gre­iche Forschun­gen.

Zum erst­möglichen Zeit­punkt kehrte Schoeps nach Deutsch­land zurück und bekam in Erla­gen einen Lehrstuhl für Reli­gions- und Geis­tes­geschichte. Erst­mals Auf­se­hen erregte Schoeps, als er zur 250. Wiederkehr der Grün­dung des preußis­chen Königsre­ichs zu einem Festvor­trag lud. Er machte darin seine preußis­che Hal­tung deut­lich und betonte, daß es der Umerziehung durch die Alli­ierten nicht bedürfe, son­dern lediglich eine Rückbesin­nung auf Preußen nötig sei, um Deutsch­land in einen Rechtsstaat zu ver­wan­deln. Ohne Preußen könne es kein Deutsch­land geben. Schoeps set­zte diese Lin­ie der Reha­bil­i­tierung Preußens weit­er fort und wurde zu einem der bekan­ntesten Preußen­forsch­er der 50er und 60er Jahre. In Das andere Preußen (1952) set­zte er dem Zer­rbild vom Mil­i­taris­ten­staat seine Unter­suchun­gen zur den Hochkon­ser­v­a­tiv­en unter Friedrich Wil­helm IV. ent­ge­gen. Mit Preußen (1966) gelang ihm ein Best­seller, der lange die einzige pop­uläre Darstel­lung mit wis­senschaftlichen Anspruch blieb, die Preußen in ein pos­i­tives Licht set­zte.

Seine Vor­liebe für die Hochkon­ser­v­a­tiv­en um die Gebrüder Ger­lach hat­te Fol­gen für sein poli­tis­ches Engage­ment. Schoeps set­zte sich aktiv für die Wiedere­in­führung der Monar­chie ein, die er als soziales König­tum ver­stand, das über den Parteien ste­hen sollte (Kommt die Monar­chie?, 1953). Seine Aktiv­itäten stellte er allerd­ings ein, als sich der Thron­prä­ten­dent, der Kaiserenkel Louis Fer­di­nand reserviert zeigte und der Spiegel eine Kam­pagne gegen Schoeps startete. Weit­er­hin plädierte er für die Ein­führung eines Plu­ral­wahlrechts, das die per­sön­lichen Voraus­set­zun­gen der Wäh­ler (Fam­i­lie, Eigen­tum, Einkom­men, Bil­dung) berück­sichti­gen sollte. Nur so sah er im Massen­zeital­ter eine demokratis­che Ord­nung gewährleis­tet. Nach 1968 geri­et Schoeps, dessen kon­ser­v­a­tive Ansicht­en bis dahin geduldet waren, ins Visi­er der linken Stu­den­ten, die ihn ver­bal und auch kör­per­lich attakierten. Sein let­zter Ver­such poli­tis­ch­er Ein­fluß­nahme war die kur­zlebige „Kon­ser­v­a­tive Samm­lung“, die auf ein Wäh­ler­po­ten­tial rechts der CDU set­zte. Bis zulet­zt hat Schoeps, u.a. in Deutsch­land dro­ht die Anar­chie (1972), vor den Fol­gen der Auflö­sung von Tra­di­tion, Recht und Ord­nung gewarnt.

Seine wis­senschaftliche Rep­u­ta­tion wurde durch diese Fron­stel­lung eben­falls beschädigt. Schoeps legte in den 50er Jahren umfan­gre­iche Unter­suchun­gen über das Judenchris­ten­tum, den Philosemitismus im Barock und den Apos­tel Paulus vor. Das wichtig­ste Pro­jekt war die Etablierung des Fach­es Geis­tes­geschichte, das er in Erlan­gen als The­o­rie und Prax­is der Zeit­geist­forschung lehrte. Eine entsprechende Zeitschrift für Reli­gions- und Geis­tes­geschichte (ZRGG), die Schoeps gemein­sam mit dem The­olo­gen Ernst Benz grün­dete, und die Gesellschaft existieren bis heute, wenn auch die Bedeu­tung seit dem Tod Schoeps abgenom­men hat. Ein let­ztes Pro­jekt der Geis­tes­geschichte von Schoeps war die fünf­bändi­ge Deutsche Geis­tes­geschichte der Neuzeit (1977–1980). Seine Auto­bi­ogra­phie Die let­zten dreißig Jahre (1956), die er schon in jun­gen Jahren veröf­fentlichte, gewährt wichtige Ein­blicke in den Lebensweg eines Kon­ser­v­a­tiv­en im 20. Jahrhun­dert, der sich zu allen Zeit quer zum Zeit­geist stellte.

Hans-Joachim Schoeps ver­starb am 8. Juli 1980 in Erlan­gen.

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Zitat:

Es gibt bes­timmte Ord­nun­gen und Geset­ze, über die ich mit mir nicht reden lasse, weil sie indiskutabel sind. Auch den jun­gen Rev­o­lu­tionären werde ich die bib­lis­chen Forderun­gen ent­ge­gen­hal­ten: Du sollst Vater und Mut­ter ehren und das durch altjüdis­che Sprich­h­weisheit gedeck­te paulin­is­che Wort: Seid unter­tan der Obrigkeit, die von Gott zuge­lassen ist. Auch wenn mir nack­ter Hohn aus frechen und zynis­chen Gesichtern ent­ge­gen­leuchtet, wird mich das nicht an meinem poli­tis­chen Glaubens­beken­nt­nis irremachen, das ich schon als 20jähriger hat­te und zu dem ich mich heute nach vie­len neg­a­tiv­en Erfahrun­gen erst recht bekenne: Der Staat, obwohl sel­ber ein Pro­dukt der men­schlichen Sünde, ist dazu da, noch größer­er Sünde zu wehren.

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Schriften:

  • Jüdis­ch­er Glaube in dieser Zeit. Pro­le­gom­e­na zur Grundle­gung ein­er sys­tem­a­tis­chen The­olo­gie des Juden­tums, Berlin 1932
  • (mit Hans Blüher) Stre­it um Israel. Ein jüdisch-christlich­es Gespräch, Ham­burg 1933
  • The­olo­gie und Geschichte des Judenchris­ten­tums; Tübin­gen 1949
  • Die Ehre Preußens. Fes­trede zum 250. Grün­dungstag des Preußis­chen Staates, Stuttgart 1951
  • Das andere Preußen. Kon­ser­v­a­tive Gestal­ten und Prob­leme im Zeital­ter König Friedrich Wil­helms IV, Stuttgart 1952
  • Kommt die Monar­chie? Wege zu neuer Ord­nung im Massen­zeital­ter, Ulm 1953
  • Die let­zten dreißig Jahre, Stuttgart 1956
  • Kon­ser­v­a­tive Erneuerung, Stuttgart 1958
  • Was ist und was will die Geis­tes­geschichte? Über The­o­rie und Prax­is der Zeit­geist­forschung, Göt­tin­gen 1959
  • Preußen. Geschichte eines Staates, Berlin 1966
  • Bere­it für Deutsch­land. Der Patri­o­tismus deutsch­er Juden und der Nation­al­sozial­is­mus, Berlin 1970
  • Deutsch­land dro­ht die Anar­chie, Mainz 1972
  • Ja – Nein – und Trotz­dem. Erin­nerun­gen – Erfahrun­gen – Begeg­nun­gen, Mainz 1974
  • Deutsche Geis­tes­geschichte der Neuzeit, 5 Bde, Mainz 1977–1980

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Lit­er­atur:

  • Gideon Botsch/ Joachim H. Knoll/ Anna-Dorothea Ludewig (Hrsg.): Wider den Zeit­geist. Stu­di­en zum Leben und Werk von Hans-Joachim Schoeps (1909–1980), Hildesheim 2009
  • Frank-Lothar Kroll: Geschichtswis­senschaft in poli­tis­ch­er Absicht. Hans-Joachim Schoeps und Preußen, Berlin 2010