Bad Frankenhausen – Bauernkriegspanorama

Der sil­brig schim­mernde Rund­bau thront über Bad Franken­hausen, als ob dort ein Ufo gelandet wäre. Völ­lig unor­gan­isch fügt sich das Gebäude in die Land­schaft ein und bezieht doch ger­ade daher seinen Reiz. Von Ferne wirkt es befremdlich und mon­u­men­tal, wie es da auf dem Schlacht­berg ste­ht. Daß eine solche Erschei­n­ung für Spott sor­gen muß, liegt nahe (die Bewohn­er nan­nten das Gebäude ange­blich »Ele­fan­ten­k­lo«), Ergrif­f­en­heit will sich zunächst nicht ein­stellen. Ste­ht man unmit­tel­bar davor, bleiben die Aus­maße beein­druck­end und der stal­in­is­tisch anmu­tende Unter­bau fügt sich naht­los ins Bild.

Im Innern geht es zunächst nüchtern zu; auch das Bauernkriegspanora­ma hat seinen Muse­umsshop und ein Restau­rant. In die Rotunde mit dem eigentlichen Panora­ma, der das Gebäude seine Form ver­dankt, führen zwei bre­ite Trep­pen. 123 Meter lang und 14 Meter hoch ist die Lein­wand, die den Besuch­er umgibt und auf der sich das Bauernkriegspanora­ma abspielt. Geschaf­fen hat es der Leipziger Maler Wern­er Tübke in den Jahren 1976 bis 1987 im Auf­trag der DDR, die damit einen zen­tralen Ort ihrer sozial­is­tisch-deutschen Iden­tität schaf­fen wollte und dazu den Deutschen Bauernkrieg in die Pflicht nahm. Der Ort wurde dabei ganz bewußt gewählt, da auf dem Weißen Berg bei Franken­hausen die let­zte Schlacht dieses Krieges geschla­gen wurde.

Seit 1524 war es vor allem in Süd­west­deutsch­land zu ver­schiede­nen Bauer­nauf­stän­den gekom­men, die sich haupt­säch­lich auf soziale Mißstände bezo­gen und bald auch auf andere Lan­desteile, u.a. Thürin­gen, Über­grif­f­en. Durch die Ref­or­ma­tion hat­ten die Kämpfe eine religiöse bzw. weltan­schauliche Dimen­sion. Die Bauern strit­ten nicht nur für die Verbesserung ihrer Lage, son­dern auch gegen den falschen Glauben der Amt­skirche, was sich in zahlre­ichen Plün­derun­gen von Klöstern und Kirchen nieder­schlug. Da die Kirche auch als weltlich­er Lehn­sh­err fungierte, kam es zu ein­er Über­schnei­dung der Motive, die sich ins­beson­dere mit der Per­son Thomas Müntzers in Verbindung brin­gen läßt. Dieser war Pfar­rer in Mühlhausen und ursprünglich ein Anhänger Luthers, sagte sich von diesem aber am Beginn der Bauernkriege los und set­zte sich für die gewalt­same Befreiung der Bauern ein.

Ende April 1525 hat­te sich Franken­hausen zu einem Zen­trum der thüringis­chen Bauern­er­he­bung entwick­elt. Zahlre­iche auf­ständis­che Bauern­haufen hat­ten sich dort ver­sam­melt und wur­den durch einen Auf­s­tand in der Stadt unter­stützt. Müntzer motivierte die Ansamm­lung zusät­zlich, indem er mit seinem Haufen dazus­toßen wollte. Seine Absicht ver­bre­it­ete sich bis zum Geg­n­er, den mit­teldeutschen Anführern der Söld­ner­heere des Adels, der seine Armee eben­falls bei Franken­hausen ver­sam­melte. Müntzer hielt durch drakonis­che Strafen für Abwe­ich­ler die Moral der Truppe aufrecht und sah, als in sein­er let­zten Predigt ein Regen­bo­gen erschien, sein Han­deln (Müntzers Haufen führte die Regen­bo­gen­fahne) durch Gottes Fin­gerzeig gerecht­fer­tigt. Am 15. Mai 1525 kam es auf dem Weißen Berg bei Franken­hausen zur Entschei­dungss­chlacht des Bauernkrieges, welche mit der total­en Nieder­lage der Bauern endete, die einen extrem hohen Blut­zoll zahlen mußten. Müntzer wurde hin­gerichtet, und der Bauernkrieg war in Mit­teldeutsch­land been­det. Der Berg wird seit­dem Schlacht­berg genan­nt.

Die Bauernkriege gehörten lange nicht zum offiziellen Geschichts­bild der Deutschen. Mit dem Aufkom­men der Sozialdemokratie und ihrer Vor­läufer gab es allerd­ings Bedarf an alter­na­tiv­en Geschichtsmythen, die eine eigene Tra­di­tion gegenüber staatlich-offiziellen begrün­den kon­nten. Der The­ologe und Lit­er­at Wil­helm Zim­mer­mann stellte den Bauernkrieg in den 1840er Jahren ins Zen­trum ein­er dreibändi­gen Arbeit und inter­pretierte ihn als Frei­heit­skampf. Von Marx und Engels dankbar aufgenom­men, gehört der Bauernkrieg seit­dem zum fes­ten Reper­toire sozial­is­tis­ch­er Geschichtss­chrei­bung und hat als Teil der »früh­bürg­er­lichen Rev­o­lu­tion« seinen Platz in der Geschichte der Umsturzver­suche.

Die DDR hat­te als kün­stlich­er deutsch­er Rest­staat ein beson­deres Inter­esse, geschichtliche Ereignisse mythol­o­gisch zu über­höhen, um daraus eine sozial­is­tisch-deutsche Iden­tität for­men zu kön­nen. Als das 450. Jubiläum der Schlacht bei Franken­hausen anstand, beschloß man daher, dort eine zen­trale Erin­nerungsstätte zu schaf­fen, die zum 500. Geburt­stag Thomas Müntzers eröffnet wer­den sollte. Es ist dem Maler Wern­er Tübke zu ver­danken, daß daraus kein Ort des sozial­is­tis­chen Real­is­mus wurde, son­dern ein ein­ma­liges und über das Ende der DDR hin­aus gültiges Kunst­werk. Er hat­te sich ver­traglich völ­lige Frei­heit bei der Auf­tragsaus­führung seines Gemäldes »Früh­bürg­er­liche Rev­o­lu­tion« zusich­ern lassen. Unter­stützt von zahlre­ichen Helfern, brauchte Tübke über fünf Jahre, um das Werk auf die Lein­wand (der größten jemals in einem Stück gewebten) zu brin­gen. Das run­dum­laufende und somit anfang- und end­lose Gemälde hat eine Größe von 1722 Quadrat­metern.

Das Bild ist im Stil der Alten Meis­ter gehal­ten und stellt mehr eine Gesamtschau der Renais­sance als ein Schlacht­gemälde dar. Die Schlacht von Franken­hausen bildet zwar ein zen­trales Motiv, auf welch­es man zuerst blickt (wenn man die linke Treppe nimmt), ist aber umgeben von Ereignis­sen und Per­so­n­en (es sollen etwa 3 000 zu sehen sein) der Zeit. So entste­ht ein ein­ma­liger Kos­mos, der durch die Detail­freude an die Bilder von Hierony­mus Bosch erin­nert und stilis­tisch an das Werk Albrecht Dür­ers angelehnt ist. Weltan­schaulich hat man in dem Bild oft einen Zug ins Pes­simistis­che oder Fatal­is­tis­che aus­gemacht, was so gar nicht zu der Absicht der Auf­tragge­ber passen wollte. Insofern ist es vielle­icht kein Zufall, daß die DDR wenige Wochen nach der feier­lichen Eröff­nung des Panora­mas am 14. Sep­tem­ber 1989 unterg­ing. Den­noch muß man der DDR für diese Leis­tung dankbar sein, die sich unter frei­heitlich-demokratis­chen Grund­sätzen in diesen Aus­maßen an Zeit und Raum kaum hätte ver­wirk­lichen lassen.

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Lit­er­atur:

  • Gün­ther Franz: Der deutsche Bauernkrieg, Darm­stadt 1984 (EA1933)
  • Gerd Lind­ner: Vision und Wirk­lichkeit. Das Tranken­hausen­er Geschichtspanora­ma von Wern­er Tübke, Bad Franken­hausen 2006
  • Gün­ter Meiss­ner: Wern­er Tübke — Bauernkrieg und Welt­gericht. Das Franken­hausen­er Mon­a­men­tal­bild ein­er Wen­dezeit, Leipzig 1995