Katechon

Kat­e­chon ist ein Begriff aus dem Griechis­chen, der soviel wie »Aufhal­ter« bedeutet, gemeint ist unter Bezug auf Paulus in 2. Thes­sa­lonich­er 2. 6–7 eine Macht, die das Kom­men des Antichris­ten verzögert. Eine Vorstel­lung, die in der frühen Gemeinde wegen des Aus­bleibens der Parusie, das heißt der Wiederkehr Christi, eine gewisse Bedeu­tung gewann, ihren sys­tem­a­tis­chen Gehalt aber erst im Zusam­men­hang mit ein­er christlichen The­olo­gie ent­fal­ten kon­nte, die sich inten­siv­er mit der eige­nen Umwelt auseinan­der­set­zen mußte.

Dabei kam es zu ein­er über­raschen­den Neube­w­er­tung des Römis­chen Reich­es, dessen wider­christlich­er Charak­ter für die frühe Gemeinde ein­deutig zu sein schien, das aber zunehmend in der Funk­tion des Kat­e­chon gese­hen wurde, der Wel­tende und Welt­gericht verzögerte, so daß den Men­schen eine Frist blieb, ihr Ver­hal­ten doch noch nach den göt­tlichen Geboten auszuricht­en.

Das Konzept spielte weit­er in Auf­nahme der Geschicht­s­the­olo­gie des Augusti­nus eine gewisse Rolle, nicht zulet­zt für das Ver­ständ­nis der trans­la­tio imperii im Mit­te­lal­ter, hat­te aber keine darüber hin­aus­ge­hende Bedeu­tung. Eine Wiederbesin­nung fand erst statt unter dem Ein­druck der gegen­rev­o­lu­tionären poli­tis­chen The­o­rie, wie sie im 19. Jahrhun­dert ent­standen war.

Das erk­lärt jeden­falls das neu erwachende Inter­esse an dem ganzen Vorstel­lungszusam­men­hang nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Damals bildete sich eine »anti­säku­lare Front« (Wil­helm Stapel), der bemerkenswert­er­weise sowohl evan­ge­lis­che als auch katholis­che Chris­ten ange­hörten, die mit dem Ver­such, die Reich­sidee wiederzubeleben die Vorstel­lung verknüpften, daß dem Reich nicht nur eine poli­tis­che Auf­gabe im engeren Sinn über­tra­gen sei, son­dern auch die Funk­tion des Kat­e­chon.

Wenn in dem Zusam­men­hang die Bedeu­tung Carl Schmitts her­vorge­hoben wird, so bleibt doch darauf hinzuweisen, daß es die vor allem durch das Luther­tum geprägte »Ham­burg­er Schule« (Ernst Jünger) der Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion war, die die Bedeu­tung des Kat­e­chon her­vorhob. Eine Denkrich­tung, die bis in die Kriegs- (bei Diet­rich Bon­ho­ef­fer) und in die Nachkriegszeit (bei Hans Frey­er in der »hal­tenden Macht« und bei Hel­mut Thielicke im Begriff der »Not-« oder »Erhal­tung­sor­d­nung«) nach­wirk­te, während Schmitt erst nach 1945 – auch in Uminter­pre­ta­tion der eige­nen Ansätze – den Begriff ins Zen­trum einiger Über­legun­gen rück­te.

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Zitate:

Man muß für jede Epoche der let­zten 1948 Jahre den Kat­e­chon nen­nen kön­nen. Der Platz war niemals unbe­set­zt, son­st wären wir nicht mehr vorhan­den.
Carl Schmitt

Das Abend­land ist chris­tus­feindlich. Das ist die einzi­gar­tige Sit­u­a­tion unser­er Zeit, und es ist echter Ver­fall. Mit­ten in der Auflö­sung alles Beste­hen­den ste­hen die christlichen Kirchen als die Hüter des Erbes des Mit­te­lal­ters und der Ref­or­ma­tion, vor allem aber als die Zeu­gen des Wun­ders Gottes in Jesus Chris­tus »gestern, heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,8). Neben ihnen aber ste­ht »der Aufhal­tende«, d. h. jen­er Rest an Ord­nungs­macht, der sich noch wirk­sam dem Ver­fall wider­set­zt.
Diet­rich Bon­ho­ef­fer

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Lit­er­atur: