Metapolitik

Metapoli­tik ist ein rel­a­tiv sel­ten gebrauchter Begriff, der seinem ursprünglichen Sinn nach soviel wie »Staat­sphiloso­phie« bedeutete, aber schon früh im Sinn ein­er »poli­tis­chen Meta­physik« (Joseph de Maistre), das heißt als Fes­tle­gung von poli­tis­chen Prinzip­i­en aufge­faßt wurde, aus denen poli­tis­che Entschei­dun­gen und Zielset­zun­gen abgeleit­et wer­den kön­nen. Dem lag die Annahme zugrunde, daß Poli­tik wed­er eine Summe oppor­tunis­tis­ch­er Hand­lun­gen noch ein voll­ständig the­o­retisch erfaßbares und plan­bares Ganzes ist.

Zuerst hat Joseph de Maistre den Vorschlag gemacht, die Ideen von 1789, die let­ztlich auf der rev­o­lu­tionären Umset­zung link­er Metapoli­tik beruht­en, die alle Leit­be­griffe aus der Aufk­lärung bezo­gen hat­ten, mit ein­er recht­en Metapoli­tik zu bekämpfen, die sich zum Zweck der Gegen­rev­o­lu­tion eben nicht nur auf Tra­di­tion und Offen­barung berufen kon­nte, son­dern ihrer­seits aus der Gege­naufk­lärung Argu­mente beziehen sollte, die sich im Mei­n­ungsstre­it vor­tra­gen ließen.

Ohne daß damit eine The­o­rie der Metapoli­tik ent­standen wäre, wurde doch ein Muster vorgegeben, dem die intellek­tuelle Rechte immer dann gefol­gt ist, wenn sie einen entschei­den­den Erfolg der Linken nicht nur auf der Machtebene, son­dern auch auf der geisti­gen Ebene bekämpfen wollte. In diesen Zusam­men­hang gehört deshalb die »Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion« der Zwis­chenkriegszeit eben­so wie der Plan ein­er »Kul­tur­rev­o­lu­tion von rechts«, die nach 19€™68 eine wichtige Rolle spielte.

Ein aus­drück­lich­er Bezug auf den Begriff Metapoli­tik fand sich vor allem in der franzö­sis­chen Nou­velle Droite – »Neuen Recht­en«. Hier gab es den Ver­such, nicht nur eine möglichst voll­ständi­ge und kon­sis­tente Gegenide­olo­gie zum Neo-Marx­is­mus zu entwer­fen, son­dern auch der Linken einen ihrer maßge­blichen The­o­retik­er zu nehmen, den Ital­iener Anto­nio Gram­sci. Gram­sci hat­te in Ergänzung, aber auch im Wider­spruch zum Lenin­is­mus die These entwick­elt, daß die Ide­olo­gie neben der materiellen Basis eine gewisse Selb­ständigkeit habe, daß in mod­er­nen Gesellschaften die Herrschaft über Begriffe und Leitvorstel­lun­gen neben der Herrschaft über die klas­sis­chen Macht­mit­tel eine entschei­dende Rolle spiele und daß es für jede rev­o­lu­tionäre Gruppe unab­d­ing­bar sei, die Macht über Begriffe und Leitvorstel­lun­gen zu gewin­nen – die »kul­turelle Hege­monie«, wie es bei Gram­sci heißt –, bevor sie nach der poli­tis­chen Macht greife.

Dementsprechend ver­suchte die Nou­velle Droite eine eigene Ter­mi­nolo­gie zu entwick­eln, die auf eine – wis­senschaftlich fundierte – The­o­rie ver­wies, und gle­ichzeit­ig Zugriff auf die mod­er­nen Massen­me­di­en zu gewin­nen, um sich der entschei­den­den Waf­fen im »Kul­turkrieg« zu ver­sich­ern. Das Ziel war, jene »implizite Ide­olo­gie« (Alain de Benoist) zu schaf­fen, die die üblichen Auf­fas­sun­gen, im Grunde sog­ar die »Men­tal­ität« der Men­schen, bes­timmt und sie unre­flek­tiert und selb­stver­ständlich zu Urteilen und Entschei­dun­gen kom­men läßt. Obwohl dieser Ansatz gescheit­ert ist, bleibt unbe­stre­it­bar, daß nur die »Beset­zung« von Begrif­f­en und der Zugriff auf die Mei­n­ungsträger in ein­er mod­er­nen Gesellschaft erlauben, jenes Gesamt an Vorstel­lun­gen zu bee­in­flussen, das der Mehrheit als selb­stver­ständlich gilt und insofern einen emi­nen­ten Ein­fluß auf die Poli­tik nimmt.

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Zitat:

Es kann und es muß eine »poli­tis­che Hege­monie« auch vor dem Regierungsantritt geben, und man darf nicht nur auf die durch ihn ver­liehene Macht und die materielle Stärke zählen, um die poli­tis­che Führung oder Hege­monie auszuüben.
Anto­nio Gram­sci

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Lit­er­atur:

  • Alain de Benoist: Kul­tur­rev­o­lu­tion von rechts, edi­tion d, Bd 6, Krefeld 1985
  • Joseph de Maistre: Betra­ch­tun­gen über Frankre­ich [1796/1924], zulet­zt Wien und Leipzig 1991