Universalismus

Uni­ver­sal­is­mus beze­ich­net ver­schiedene Deu­tungsmuster, die aufs Ganze gehen, das heißt eine all­ge­mein verbindliche, vor allem auch ethisch verbindliche, Konzep­tion für die Deu­tung der Welt anbi­eten.

Sieht man von den älteren religiösen (Bud­dhis­mus, Chris­ten­tum) oder qua­sire­ligiösen (Kon­fuzian­is­mus) Uni­ver­sal­is­men ab, haben sich seit der Aufk­lärung vor allem imma­nente Vorstel­lun­gen dieser Art entwick­elt und eine bre­ite Anhänger­schaft gewon­nen. Der Grund dafür war die nach den Ent­deck­ungsreisen neu begrün­dete Wahrnehmung der Ein­heit des glob­alen Raums und eine durch das Chris­ten­tum genau­so wie durch den neuzeitlichen Ratio­nal­is­mus (Mod­erne) begrün­dete Vorstel­lung von der Ein­heit des Men­schengeschlechts. Dementsprechend entwick­elte sich mit den Rev­o­lu­tio­nen am Ende des 18. Jahrhun­derts die Vorstel­lung, daß die Men­schheit auf der Welt und in der Welt­geschichte als Akteur auftreten sollte, um die bis dahin erst ansatzweise und ent­wor­fene Ein­heit tat­säch­lich zur Erschei­n­ung zu brin­gen. Die beherrschen­den Ide­olo­gien der Linken und der Mitte haben dieses Pro­gramm aufge­grif­f­en und sich selb­st als Avant­garde der Men­schheit ins Spiel gebracht, die ihr Sendungs­be­wußt­sein ganz wesentlich aus der Vorstel­lung speiste und speist, daß man am Beginn ein­er neuen Epoche ste­he, die zulet­zt den Uni­ver­sal­is­mus voll­ständig real­isieren werde.

Das Scheit­ern der­ar­tiger Pläne wurde von den Ver­fechtern dieser Ide­olo­gien immer nur als Parusiev­erzögerung betra­chtet, die fak­tis­che – durch die Indus­trielle Rev­o­lu­tion bewirk­te – Glob­al­isierung als Hin­weis auf die objek­tive Entwick­lung in die gewün­schte Rich­tung. Das Nebeneinan­der von Uni­ver­sal­is­mus als Weltan­schau­ung, den fortbeste­hen­den Hin­dernissen und dem tat­säch­lichen Zusam­menwach­sen der ent­fer­n­testen Welt­ge­gen­den hat ganz wesentlich die Frontver­läufe des Welt­bürg­erkriegs bes­timmt.

Dage­gen sind die Wider­standsver­suche, die es in einem kon­ser­v­a­tiv­en Gegen-Uni­ver­sal­is­mus (propagiert etwa durch die der Spann-Schule unter Rück­griff auf das Chris­ten­tum) oder der Vertei­di­gung von Par­tiku­lar­is­men (nation­al­is­tis­chen, tra­di­tion­al­is­tis­chen oder fun­da­men­tal­is­tis­chen) gab, weit­ge­hend verge­blich geblieben. Das­selbe gilt auch für das Bemühen um eine alter­na­tive – nom­i­nal­is­tis­che – Deu­tung, die an die Stelle des Uni­ver­sal­is­mus eine prinzip­ielle Bezug­nahme auf das Konkrete forderte. Das Prob­lem des Nom­i­nal­is­mus ist neben ein­er Rei­he von logis­chen Schwierigkeit­en (vor allem die Auf­stel­lung all­ge­mein­er Sätze, deren Gel­tung man eigentlich gar nicht anerken­nen will, wenn es etwa um das Exis­ten­zrecht jed­er Reli­gion, jedes Volkes etc. geht) die Macht des großen, auf Vere­in­heitlichung drän­gen­den Prozess­es, der nach dem Beginn des Infor­ma­tion­szeital­ters noch eine ganz andere Dynamik gewon­nen hat.

Was bleibt, ist angesichts dessen nur eine Rel­a­tivierung des Uni­ver­sal­is­mus im Namen jen­er Ver­schieden­heit­en, die poli­tisch wie kul­turell Bestand haben und deren Exis­tenz unleug­bar ist.

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Zitate:

Alle Men­schen sind in gle­ich­er Weise zu lieben. Da man aber nicht für jed­er­mann sor­gen kann, so muß man vornehm­lich für jene Sorge tra­gen, die einem durch die Ver­hält­nisse des Ortes, der Zeit oder irgendwelch­er ander­er Umstände gle­ich­sam durch das Schick­sal näher ver­bun­den sind.
Augusti­nus

Doch eine Scheu vor der eineb­nen­den Uni­ver­sal­ität, vor der Macht ohne Gegen­macht, der Unkon­trol­liertheit und Zügel­losigkeit der Einzel­herrschaft, dem Aufkom­men dun­kler Zirkel und Kulte ist uns geblieben. Wir wis­sen, daß die notwendig zwin­gende Ein­heit des Welt­staates die Frei­heit gefährdet, daß diese ein freies Spiel der Kräfte und Mächte voraus­set­zt. Und dies, obwohl wir auch wis­sen, daß das freie Spiel den Zwang zur Wehr und alle ihre Gefährdun­gen nach sich zieht.
Erwin Höl­zle

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Lit­er­atur: