Sofsky, Wolfgang, Soziologe, geboren 1952

Der Sozi­ologe Wolf­gang Sof­sky — 1952 in Kaiser­slautern geboren — wurde der bre­it­eren Öffentlichkeit bekan­nt, als er 1993 für seine Göt­tinger Habil­i­ta­tion­ss­chrift über die Ord­nung des Ter­rors. Das Konzen­tra­tionslager den Geschwis­ter-Scholl-Preis erhielt.

Bere­its in jun­gen Jahren war er 1971 mit ein­er Arbeit über Rev­o­lu­tion und Utopie her­vor­ge­treten, die den marx­is­tis­chen Geist der Zeit atmete. Nach dem Studi­um der Sozi­olo­gie, Philoso­phie und Poli­tik­wis­senschaft wurde er 1981 mit ein­er Arbeit über Die Ord­nung sozialer Sit­u­a­tio­nen bei dem Sozi­olo­gen Hans Paul Bahrdt, einem Schüler Hel­muth Pless­ners, pro­moviert. Durch diese Herkun­ft erfol­gte bei Sof­sky eine entschei­dende Prä­gung, die ihn in die Tra­di­tion der Philosophis­chen Anthro­polo­gie stellte. Hinzu kam, daß Bahrdt dem phänom­e­nol­o­gis­chen Ansatz der Sozi­olo­gie fol­gte, was man allen fol­gen­den­den Schriften Sof­skys deut­lich anmerkt.

Seine ersten Arbeit­en wid­mete Sof­sky The­men der Indus­triesozi­olo­gie, deren Sprache man auch in der Ord­nung des Ter­rors find­et. Bei deren Erscheinen wurde ger­ade die Nüchtern­heit, mit der sich Sof­sky seinem Gegen­stand nähert, irri­tiert zur Ken­nt­nis genom­men. Er unter­sucht darin die spezielle soziale Macht­form des Konzen­tra­tionslagers, die er von allen anderen Macht­for­men unter­schei­det. Sie ist für ihn „die extrem­ste Form der Macht und mod­er­nen Organ­i­sa­tion“. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß sich diese Struk­turen der Ver­ste­hbarkeit entziehen. Im Gegen­teil: Sof­sky ist ger­ade der Ansicht, daß Men­schen­werk, und nichts anderes ist das Konzen­tra­tionslager, ver­ste­hbar und damit auch ver­gle­ich­bar ist. Es falle auch nicht aus dem Rah­men der mod­er­nen Zivil­i­sa­tion. Mit der Ver­ste­hbarkeit ist bei Sof­sky aber keine Heilung ver­bun­den, dazu sieht er den Men­schen zu sehr von seinen anthro­pol­o­gis­chen Kon­stan­ten bes­timmt, die ihn immer nach der „absoluten Macht“ streben lassen.

In seinem näch­sten Buch wid­mete sich Sof­sky phänom­e­nol­o­gisch den ver­schieden For­men der Gewalt, die als eng mit dem Streben nach Macht zusam­men­hän­gen. Die Gewalt, so Sof­sky im Trak­tat über die Gewalt (1996), gehöre zum Men­schen und präge sich nur unter­schiedlich aus. Eine dauer­hafte Hegung sei nicht möglich, eine Ent­fes­selung der Gewalt jed­erzeit. Mit diesen The­sen provozierte Sof­sky entsprechend, weil er dem Glauben an Demokratie und Sozialpäd­a­gogik deut­lich wider­sprach und indi­rekt auf die Ver­schleierung von Macht in der Gegen­wart hin­wies.

Der Men­sch ändere sich nicht und die Geschicht sei ein ewiger Ver­such, das Ver­hält­nis von Ord­nung und Gewalt auszu­pen­deln. Die Kul­tur ist dabei der notwendig scheit­ernde Ver­such, das Lei­den auszu­gle­ichen. Trotz dieser pes­simistis­chen Anthro­polo­gie recht­fer­tigte Sof­sky 2003 den Irakkrieg als Mis­sion für die Frei­heit. Diese Unter­stützung ist nicht nur Resul­tat sein­er Abscheu gegen deutsches Gut­memn­schen­tum, die sich die Hände nicht schmutzig machen wollen, son­dern hängt mit ein­er zunehmenden Hochschätzung der Frei­heit gegenüber der Ord­nung durch Sof­sky zusam­men.

In seinen Büch­ern Das Prinzip Sicher­heit (2005) und Die Vertei­di­gung des Pri­vat­en (2007) plädiert Sof­sky für eine Vertei­di­gung der Frei­heit gegenüber dem Staat und dessen über­bor­den­der Für­sorge. Er sieht in der Sicher­heit die Leitidee eines jeden Staates, was seinen Ein­griff in die Frei­heit des Einzel­nen begründe. Bei Sof­sky geht damit eine Demokratiekri­tik ein­her, die sich auf die überspan­nten Erwartun­gen an diese Regierungs­form knüpft. Demokra­tien seien eben­so auf Herrschaft und Gewalt gegrün­det und keineswegs friedlich­er als andere Staats­for­men. Sof­sky sieht aber auch das Para­dox­on der Frei­heit, die sich selb­st beschränken muß, um anderen Frei­heit zu gewähren. Deshalb hat sich Sof­sky in der Vertei­di­gung des Pri­vat­en auf das Pri­vate anstatt die Frei­heit bezo­gen. Das Pri­vate ist leichter zu vertei­di­gen und hat auch klare Gren­zen: Wer andere nicht mit sein­er Neugi­er belästige, bleibe selb­st unbe­hel­ligt.

Daß es sich Sofksy so ein­fach nicht immer macht, zeigen sein bis­lang vor­let­ztes Werk. Im Buch der Laster (2009) zeigt Sof­sky anhand von 18 Lastern, daß der Men­sch ein Hang zum Schlecht­en hat, der den Hang zur Tugend deut­lich über­wiegt. Dabei bleibt Sof­sky sein­er Lin­ie treu und stellt keine meta­ph­ysis­chen Speku­la­tio­nen an, son­dern schildert die For­men. Es ist nicht das „Böse“, son­dern die ganz nor­male Nach­läs­sigkeit, Gle­ichgültigkeit und die Anfäl­ligkeit für das moralis­che Ver­sack­en über­haupt, die Men­schen schlecht sein läßt. Mit dieser Ein­stel­lung ste­ht Sof­sky zeim­lich allein. Daß er damit eine Lücke in der Öffentlichkeit aus­füllt, wird an der bre­it­en Rezep­tion sein­er Schriften und seinen häu­fi­gen Kom­mentaren in wichti­gen Zeitun­gen deut­lich. Sof­sky, der Pro­fes­suren in Göt­tin­gen und Erfurt innehat­te, lebt heute als Pri­avt­gele­htrter und Pub­lizist in Göt­tin­gen.

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Zitat:

Die moralis­che Verbesserung des Gat­tungswe­sens ist aus­ge­blieben. Die Hoff­nung auf Ver­vol­lkomm­nung des Men­schengeschlechts, die einst zu den Grundpfeil­ern der mod­er­nen Ide­olo­gie gehörte, hat sich nicht erfüllt.

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Schriften:

  • Die Ord­nung des Ter­rors: Das Konzen­tra­tionslager, Frank­furt a.M. 1993
  • Trak­tat über die Gewalt, Frank­furt a.M. 1996
  • Zeit­en des Schreck­ens. Amok, Ter­ror, Krieg, Frank­furt a.M. 2002
  • Oper­a­tion Frei­heit. Der Krieg im Irak, Frank­furt a.M. 2003
  • Das Prinzip Sicher­heit, Frank­furt a.M. 2005
  • Vertei­di­gung des Pri­vat­en. Eine Stre­itschrift, München 2007
  • Das Buch der Laster, München 2009
  • Tode­sarten. Über Bilder der Gewalt, Berlin 2011