Eliot, T. S., Dichter, 1888–1965

Der Dichter und Lit­er­atur-Nobel­preisträger (1948) Thomas Stearns Eliot wurde am 26.September 1888 in St. Louis (Mis­souri) geboren. Er absolvierte ein Studi­um der Philoso­phie in Har­vard, wo ihn u. a. George San­tayana und Josi­ah Royce beein­druck­ten, die bei­de stark von deutsch­er Philoso­phie geprägt waren. Er ver­faßte eine Dis­ser­ta­tion über den Ide­al­is­ten F. H. Bradley, kon­nte sie aber kriegs­be­d­ingt nicht mehr vertei­di­gen. Der gebür­tige Amerikan­er Eliot iden­ti­fizierte sich nach sein­er Über­sied­lung nach Europa schnell mit Eng­land als geistiger Heimat und über­nahm den englis­chen Habi­tus in Klei­dung und Stil.

Diesem anti­sen­ti­men­tal­en Stil entsprach auch seine Zurück­hal­tung, Per­sön­lich­es öffentlich zu machen. Eliot prak­tizierte den Stil des Gen­tle­man, der sich kor­rekt und sauber klei­dete und, wie Her­bert Read bemerk­te, »wed­er im Denken noch im Erschei­n­ungs­bild jemals ein Bohemien war«. Damit markierte Eliot auch nach außen hin unmißver­ständlich seine Dis­tanz zu allen For­men der stil­losen Roman­tik, ins­beson­dere aber auch zur Blooms­bury-Group um Vir­ginia Woolf, die sich bekan­ntlich entset­zt über Eliots Hin­wen­dung zum Glauben äußerte.

Poli­tisch ste­ht die von Eliot entwick­elte Idee ein­er »christlichen Gesellschaft« in einiger Span­nung zur sozialen und poli­tis­chen Prax­is der west­lichen Demokra­tien; für Eliot stellte sich die Alter­na­tive der Bil­dung ein­er neuen christlichen Kul­tur oder der Bejahung ein­er paganen Kul­tur. Starke Impulse für sein poli­tis­ches Denken im Sinne ein­er »klas­sis­chen« Ori­en­tierung empf­ing Eliot durch die Lek­türe von Werken Charles Mau­r­ras’ und T. E. Hul­mes, der als »kon­ser­v­a­tiv­er Rev­o­lu­tionär aus Eng­land« (Peter Hoeres) gilt.

Im Gefolge sein­er religiösen Entwick­lung und sein­er Auseinan­der­set­zung mit Dante kam er zu der Ein­sicht ein­er überindi­vidu­ellen Qual­ität eines tra­di­tionellen Glaubens- und Moral­sys­tems. Dieses beste­he als etwas, das vom einzel­nen unter­schieden ist und von diesem sog­ar ohne Glauben ver­standen und bejaht wer­den könne. Eliots Ver­ständ­nis der Tra­di­tion im Bere­ich der Lit­er­atur läßt sich auch auf die Gesellschaft ins­ge­samt über­tra­gen: Tra­di­tion allein genügt nicht, weil diese ständig erneuert wer­den muß; die kreative Auseinan­der­set­zung mit der Tra­di­tion braucht aber nach Eliot auch die Ori­en­tierung an dem, was er Ortho­dox­ie nen­nt, also eine intellek­tuell anspruchsvolle Artiku­la­tion der Prinzip­i­en und Prak­tiken des richti­gen Lebens und Denkens.

Eliots lit­er­aturgeschichtliche Bedeu­tung beruht vor allem auf sein­er Lyrik, die zu den kanon­is­chen Werken der lit­er­arischen Mod­erne gehört. Nach sein­er religiösen Krise im Jahr 1925 wird der spir­ituelle und ger­adezu mys­tis­che Aspekt sein­er Dich­tung unüberse­hbar, vor allem in Ash Wednes­day von 1930, und kul­miniert ein­er­seits in dem in Versen abge­faßten the­ol­o­gisch-poli­tis­chen His­to­rien­dra­ma Mur­der in the Cathe­dral (1935), das von Rudolf Alexan­der Schröder ins Deutsche über­tra­gen wurde; ander­er­seits in den Four Quar­tets, die man als Eliots Summe der dich­ter­ischen Auseinan­der­set­zung mit der religiösen und mys­tis­chen Erfahrung sowie der philosophis­chen Tra­di­tion seit den Vor­sokratik­ern ver­ste­hen kann.

Die Bedeu­tung Eliots für eine kon­ser­v­a­tive Kul­turkri­tik kön­nte im 21. Jahrhun­dert deut­lich zunehmen, so wie auch seine Statur als Dichter nach eini­gen Jahren der Ver­nach­läs­si­gung erstaunlich unbeschädigt aus den teils poli­tisch kor­rek­ten Auseinan­der­set­zun­gen her­vorg­ing. T. S. Eliots Texte, ins­beson­dere seine zahlre­ichen Essays, sind immer noch nicht voll­ständig in ein­er Werkaus­gabe ediert. Es ist zu erwarten, daß mit der weit­eren Pub­lika­tion von Briefwech­seln und vor allem ein­er – drin­gend nöti­gen – voll­ständi­gen Aus­gabe sein­er Essays und kri­tis­chen Schriften die säku­lare Bedeu­tung Eliots unter­strichen wird. Er wird daher als wichtige Inspi­ra­tionsquelle für einen Kon­ser­vatismus auf dem höch­sten geisti­gen Niveau unverzicht­bar bleiben. Nicht zulet­zt Kon­ser­v­a­tive wie Rus­sell Kirk oder Roger Scru­ton grif­f­en Eliots Gedanken der »per­ma­nent things«, der über­dauern­den Sachen, auf – jen­er »Sachen«, die über die Zeit hin­aus
Gültigkeit haben und sich­er­stellen, daß eine Gesellschaft Frieden und Zusam­men­halt gewährt und dem einzel­nen die Möglichkeit gibt, sich zu ein­er wahrhaft men­schlichen Per­son zu bilden.

T.S. Eliot starb am 4. Jan­u­ar 1965 in Lon­don.

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Zitat:

Die meis­ten »Vertei­di­ger der Tra­di­tion« sind bloße Kon­ser­v­a­tive, die nicht zwis­chen dem Bleiben­den und dem Vergänglichen, zwis­chen dem Wesentlichen und dem Zufäl­li­gen unter­schei­den kön­nen.

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Schriften:

  • After Strange Gods. A Primer of Mod­ern Heresy, Lon­don 1934
  • Mord im Dom, Berlin 1946
  • Essays (Werke in vier Bän­den, Bd. 2 I und 3 II), Frank­furt a. M. 1967
  • Gedichte 1909–1962 (Werke 4), Frank­furt a. M. 1988
  • The Vari­eties of Meta­phys­i­cal Poet­ry, Lon­don 1993
  • Das öde Land, Über­set­zung Nor­bert Hum­melt, Frank­furt a. M. 2008
  • The Let­ters, 2 Bde. 1898–1922; II: 1923–1928, Lon­don 2009

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Lit­er­atur:

  • Peter Ack­royd: T. S. Eliot. Eine Biogra­phie, Frank­furt a. M. 1988
  • Rus­sell Kirk: Eliot and His Age. T. S. Eliot and the Moral Imag­i­na­tion in the Twen­ti­eth Cen­tu­ry, Wilm­ing­ton 2008
  • Roger Kojecky: T. S. Eliot’s Social Crit­i­cism, Lon­don 1972
  • Ste­fan Plasa: Knots and Vor­tices. T. S. Eliots und Ezra Pounds Dich­tungs­the­o­rie zwis­chen Tra­di­tion und Inno­va­tion, Pader­born 2010
  • Wolf­gang Riehle: T. S. Eliot, Darm­stadt 1979
  • Roger Scru­ton: T. S. Eliot as Con­ser­v­a­tive Men­tor, in: The Inter­col­le­giate Review (Herb­st 2003/Frühling 2004)
  • Hel­mut Viebrock/Armin Paul Frank (Hrsg.): Zur Aktu­al­ität T. S. Eliots. Zum 10. Todestag, Frank­furt a. M. 1975