Liberalismus

Lib­er­al­is­mus wird abgeleit­et vom lateinis­chen liber – »der Freie« –, geht aber zurück auf die spanis­che Parteibeze­ich­nung der lib­erales, die als die »Frei­heitlichen« die Schaf­fung ein­er kon­sti­tu­tionellen Monar­chie im Spanien des frühen 19. Jahrhun­derts forderten. Zu dem Zeit­punkt hat­te der Lib­er­al­is­mus schon eine län­gere Entwick­lung hin­ter sich, begin­nend mit der Aufk­lärung, von deren Grundgedanken er nach­haltig geprägt war, über die Franzö­sis­che Rev­o­lu­tion, als er sich zuerst in Gestalt der »Girondis­ten« formierte, bis zur Entste­hung jen­er whig­gis­tis­chen Strö­mungen in Eng­land, die Frei­han­del, Selb­st­bes­tim­mung des Indi­vidu­ums und Stärkung der par­la­men­tarischen Macht zu ihrem Pro­gramm erk­lärt hat­ten, und damit als Pro­to­typ des mod­er­nen Lib­er­al­is­mus über­haupt wirk­ten.

Nach diesem Mod­ell bilde­ten sich im 19. Jahrhun­dert lib­erale Strö­mungen, die, bei aller nationalen Beson­der­heit, doch die »Reli­gion der Frei­heit« (Benedet­to Croce) ver­band. Lib­erale standen damit gegen die kon­ser­v­a­tive Rechte ein­er­seits und gegen die jakobinis­che, dann demokratis­che und sozial­is­tis­che Linke ander­er­seits. Sie lehn­ten das Tra­di­tion­sprinzip eben­so ab wie den Egal­i­taris­mus und ver­focht­en stattdessen ein Konzept, in dem der einzelne, die Ver­nun­ft, der Ver­trag und der Markt zu Leitvorstel­lun­gen wur­den, die nicht nur helfen soll­ten, die Gesellschaft, son­dern auch den Staat neu zu ord­nen.

Voll­ständig durch­set­zen kon­nten sich die Lib­eralen damit nicht, zumal die Bevölkerung – zu ihrer Verblüf­fung – das lib­erale Ange­bot der Emanzi­pa­tion prompt dazu nutzte, um sich illib­eralen Ide­olo­gien und Parteien anzuschließen. Deren Bedeu­tung wuchs mit der Aus­dehnung des Wahlrechts, die die Lib­eralen im 19. Jahrhun­dert, wenn auch verge­blich, aufzuhal­ten sucht­en. In der Folge kam es zu ein­er deut­licheren Spal­tung zwis­chen Lib­eralen und Demokrat­en und dem Ver­such der Lib­eralen, einen Aus­gle­ich mit den alten Mächt­en von Monar­chie und Mil­itär zu erre­ichen. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hielt dieser Kom­pro­miß, danach fiel nicht nur das Ancien régime, son­dern auch die Stel­lung der Lib­eralen als natür­liche Mehrheitspartei. Ver­bun­den damit war ein drama­tis­ch­er Bedeu­tungsver­lust des Bürg­er­tums in den europäis­chen Staat­en und der Auf­stieg der Mas­sen­ge­sellschaft.

Die wiederum eignete sich den Begriff »Lib­er­al­is­mus« an, um ihren Hedo­nis­mus zu recht­fer­ti­gen und ansprechend aufzuputzen. Tat­säch­lich hat dieser »Sieg« (Ralf Dahren­dorf) des Lib­er­al­is­mus aber entschei­dende lib­erale Werte nach­haltig in Frage gestellt, ange­fan­gen bei der Über­ma­cht des Staates, der mit der Wirtschaft auch die Unab­hängigkeit des Indi­vidu­ums zunehmend in Zweifel zog, und endend bei einem sozialen Kon­for­mitäts­druck, der keine Selb­stent­fal­tung mehr duldete.

Infolgedessen ent­standen immer wieder »neolib­erale« Bewe­gun­gen, die zu den ursprünglichen Zie­len zurück­kehren woll­ten, und »antilib­erale« Bewe­gun­gen, die nicht nur darauf hin­wiesen, daß der Lib­er­al­is­mus von Anfang an falsche Voraus­set­zun­gen angenom­men hat­te – vor allem was die Möglichkeit men­schlich­er Selb­st­bes­tim­mung und Ratio­nal­ität bet­rifft –, son­dern auch gel­tend macht­en, daß ger­ade die Ver­wirk­lichung des Lib­er­al­is­mus fatale Fol­gen haben mußte, vor allem durch die Zer­störung der Tra­di­tion und der gewach­se­nen Gemein­schaften.

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Zitate:

Zu allen Zeit­en sind wahre Fre­unde der Frei­heit sel­ten gewe­sen und ihre Tri­umphe waren Min­der­heit­en zu ver­danken, die sich durchge­set­zt haben, weil sie sich mit Hil­f­strup­pen ver­bün­de­ten, die oft andere Ziele ver­fol­gten als sie selb­st; und dieses Bünd­nis, das immer gefährlich ist, war manch­mal ver­heerend, weil es den Geg­n­ern gerecht­en Grund zur Geg­n­er­schaft gab.
Lord Acton

Wo der Lib­er­al­is­mus seine äußer­sten Gren­zen erre­icht, schließt er den Mördern die Tür auf. Das ist Gesetz.

Ernst Jünger

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Lit­er­atur: